Das Versprechen der Kurtisane
fehlenden Paars Strümpfe so verzweifelt war.
»Ich habe das Geld genommen.« Verdammt, sie klang nicht einmal zerknirscht. »Ich war bei Mrs Talbot. Ich habe ihr erzählt, Mr Talbot hätte dir eine Vollmacht für eine Geldanlage gegeben, die jetzt Profit abgeworfen hat.«
»Wie viel hast du ihr gegeben?« Die Luft schien zu dünn, um zu atmen.
»Zweitausendsiebenhundert Pfund.«
Er sprang auf, als der verzweifelte Verdacht der vergangenen Stunden zu einer handfesten Panik mutierte, die von seinem ganzen Körper Besitz ergriff. »Lydia, das war
alles
!« Mit zwei Schritten war er bei der Kommode und stieß die Schublade zu. »Das war alles, was ich auf der Welt besessen habe!«
»Nicht ganz.«
Jetzt
klang sie befangen, denn natürlich war ihr klar, dass das nicht die passende Antwort war. Doch sie konnte sie ebenso wenig herunterschlucken, wie eine Uhr es sich verkneifen konnte, die Stunde zu schlagen. »Du hattest darüber hinaus noch zweiundsechzig Pfund, drei Schilling und einen Sixpence.« Sie hielt das Retikül hoch, wie zum Beweis. »Und die hast du noch.« Leises Münzgeklimper bekräftigte ihre Worte.
Er legte die Hände auf die Kommode und ließ den Kopf sinken, bis er nichts mehr sah als ausgeblichenes Mahagoni. »Mit diesem Geld hätte ich dich absichern können.« Er hatte wieder den altbekannten Geschmack guter, vom Schicksal vereitelter Absichten im Mund. »Dann hätte ich wenigstens in der Gewissheit, dass ich dich nicht mutterseelenallein
und
völlig mittellos zurücklasse, in das Duell gehen können.«
»Ich weiß. Genau das wollte ich verhindern.« Ohne das geringste Anzeichen der Reue schlüpfte sie neben ihn und legte ihre rechte Hand auf seine linke. »Du hast geschworen, Mrs Talbot zu versorgen, bevor du mich überhaupt zum ersten Mal gesehen hast. Ihr Anspruch ist älter.«
»Sie hat ein Dach über dem Kopf. Sie hat Verwandte, wenn auch nicht gerade die besten. Ich kann nur eine von euch unterhalten …« Er brach ab. Er hasste sich dafür, auch nur daran zu denken, sein Versprechen zu brechen.
»Siehst du?« Sie grub die Finger zwischen seine. »Du magst es nicht einmal aussprechen. Du weißt genau, dass eine solche Tat deiner nicht würdig wäre.«
»Ich glaube, ich habe zu viel darüber nachgedacht, was meiner würdig ist.« Er wandte den Kopf ab. Er mochte sich hassen. Doch Selbstverachtung war ein Preis, den er im Tausch für ihre Sicherheit bereitwillig gezahlt hätte. »Ich glaube langsam, die Ehre ist auch nur eine Form der Eitelkeit, und sie zu bewahren ist ein armseliger Trost, wenn …«
»Nein.« Die kurze Äußerung hatte so viel Autorität wie ein Donnerschlag. »Dein Ehrgefühl ist das Allerbeste an dir, Will Blackshear! Und das will was heißen, da wird mir jede Frau, die dich je nackt gesehen hat, zustimmen!«
Er ließ den Kopf in den Nacken fallen und hätte am liebsten laut aufgelacht. Er wollte etwas zerschlagen, aus dem Zimmer rennen, er wollte sich diese Frau über die Schulter werfen und sie schnurstracks ins Bett verschleppen. Stattdessen zog er seine Hand unter ihrer hervor und legte ihr vorsichtig den Arm um die Taille. Ihr Kopf kam sofort auf seiner Schulter zu liegen. »Du warst bei Mrs Talbot?«
»Sie hatte nie vor, dich zu heiraten. Sie hätte dich abgewiesen, wenn du ihr einen Antrag gemacht hättest, selbst wenn sie bei ihren Verwandten hätte bleiben müssen.« Sie verrenkte den Hals, um ihm in die Augen sehen zu können. »Die Aussicht auf ein unabhängiges Leben hat sie so glücklich gemacht. So dankbar. Ich wünschte, du hättest dabei sein können.«
Diese Nachricht tröstete ihn ein wenig, und auch ihre Nähe und das Gewicht ihres Kopfs auf seiner Schulter, und das Wissen, dass sie ihm das sagte – dass sie es in Erfahrung gebracht hatte –, weil sie wusste, wie es um sein Gewissen bestellt war, und ihn von Selbstvorwürfen befreien wollte, wo sie konnte.
Er legte seine Wange auf ihren Scheitel. »Meine Schwester wird sich nicht von mir abwenden, wenn ich dich heirate.« Jetzt konnte er ihr erzählen, wie er den Tag verbracht hatte. »Die, die du kennengelernt hast, Mrs Mirkwood. Ihr Mann ebenfalls. Wir sind nächste Woche bei ihnen eingeladen, wenn ich … wenn wir können. Und ich bekomme vielleicht eine Stelle in Mr Fullers Geschäft. Zu ihm soll ich auch nächste Woche kommen.«
Sein Hals schmerzte plötzlich. Noch vor einem Tag hätte es ihm nicht besonders viel ausgemacht, zu sterben. Doch jetzt, wo er eine so lebenswerte Zukunft
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