Das Versprechen des Architekten
ihm oben mit einem zerknüllten Straßenbahnfahrschein einen Deckel, stecke den Fingerhut unter mein Kissen und lege mich nieder, um zu schlafen. Am späten Nachmittag, kaum erwacht, picke ich alsgleich sorgfältig den passendsten (feistesten, bauchigsten) Krümel heraus,halte ihn mit der Pinzette fest und schnuppere an ihm (ja, er riecht nach der fauligen Höhle von Láskas Bulldogenmaul), nehme die speläologische Taschenlampe und gebe meiner unsichtbaren Frau, die nie Fragen stellt, auch keine Antwort und steige in den Keller hinunter.
Ich trete in den Untergrund und gehe zum Käfig, öffne das Schloss und lege den Krümel hinein, auf einen eigens dafür bereitgestellten Stuhl.
Solche Tagträume habe ich jetzt.
Aber ich bin mir dessen bewusst, dass ich nicht imstande bin, das Jagdrevier meiner Träume zu überschreiten. Nicht nur Leutnant Láska, sondern auch kein anderer von der Stasi hat sich seit dem Tod meiner Schwester je wieder bei mir gemeldet. Sie haben kein Interesse mehr an mir. Ich bin jetzt offensichtlich nicht mehr interessant für sie.
Und so werde ich schließlich das Einzige tun, was in meinen Kräften liegt. Da ich es ja nicht schaffen werde, für den Bärenkäfig etwas von dem zu erbeuten, was Láskas Körper berührt hat oder direkt ein Teil von ihm gewesen ist, nicht einmal den Schnipsel eines Fingernagels oder ein Haar beziehungsweise Schamhaar, behelfe ich mir mit etwas relativ Einfachem. Ich schreibe „Leutnant Láska“ auf einen Zettel und greife nach dem Kellerschlüssel und der speläologischen Taschenlampe.
Schon seit dem Morgen bewölkt sich der Himmel. Jetzt, wo ich den Keller aufsuche, sehe ich auf den Treppenabsätzen durch die Fenster, dass der Himmel schon ganz schwarz ist. Als sollten Mohren vom Himmel fallen. Undals ich die Tür in den Keller öffne, höre ich schon das erste Donnern und auch die erste Sturmböe. Als ich aber in den Untergrund hinabsteige, ist es still und ruhig. Ich mache die Taschenlampe an und schreite durch diese heilige Stille, in der ich nicht einmal die eigenen Schritte höre, als würde ich über einen Watteteppich gehen. Die Zeit wird kommen, in der ich diese Räume die Kathedrale der Stille nennen werde, aber jetzt sperre ich nur den Käfig auf und lege den Zettel „Leutnant Láska“ hinein, auf den dafür bereitgestellten Stuhl. Ich schließe den Käfig wieder ab und verbarrikadiere wieder provisorisch den Eingang von meinem Abteil in den Untergrund. Schon auf der Kellertreppe höre ich, wie auf der Straße der Teufel los ist, und diesmal haben die Höllenmächte wahrscheinlich einen riesigen Tanz veranstaltet, der ihnen jedoch schnell ausgeartet ist zu einer wilden Rauferei und diabolischen Rammelei.
Beim Öffnen der Kellertür weiche ich im ersten Schreck wieder zurück. Der Sturm und mit ihm ein Wasserschwall brechen nämlich herein durch das offene Haustor und wälzen sich den Flur entlang bis nach hinten, wo jetzt, in meinem Rücken, die demolierte Tür zum Hof mit den Mülleimern ist. Ich weiß, dass ich den wilden Luftzug drosseln muss, und ringe daher mit dieser Tür zum Hof, raufe mit ihr, bis es mir gelingt, sie zuzuschlagen, festzuhalten und abzusperren. Dann gehe ich durch den Flur bis nach vorne zum Haustor und bemerke, dass beide Flügel sperrangelweit offen sind, weil der Riegel, der den rechten Flügel halten sollte, herausgerissen ist. Wasser spritzt, weil ich den Luftzug drosseln konnte, nicht mehrherein, nur die Torflügel knallen auf und zu, wie wenn das Haus sich anschicken würde, sich in die Luft zu schwingen. Ich kehre in den Keller zurück, um Werkzeug zu holen, und versuche nun den Riegel wieder am Tor zu befestigen. Sodass ich am Ende hier auch schon den Hausmeister spiele. Gleich darauf jedoch zeigt sich, dass ich mich irre. Ich bin in diesem Moment nämlich aus einem ganz anderen Grund hier. Das Zusammenspiel von Umständen und Zufällen hat mich zur rechten Zeit am rechten Ort festgehalten.
So wie der Sturm ausgebrochen ist, hat er sich wieder beruhigt, bis er völlig erloschen ist. Desto stärker hingegen ist der Platzregen geworden. Es schien jetzt gleichsam Blei auf die Straße zu fallen. Ich hörte das Donnern von schwerer Artillerie: In der plötzlich reglosen Windstille bombardierte der Himmel die Erde. Und in dem Moment, als es mir gelang, den Riegel wieder zu fassen und zu befestigen und den rechten Torflügel wieder zu schließen, in diesem Moment rannte jemand, schon halb erschlagen von diesem Hagel,
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