Das Versprechen Des Himmels
begann, und das wäre bei einem Stück von solcher Leidenschaft und Gewalttätigkeit unverzeihlich gewesen.
Es war ein gutes Schauspiel, daran bestand kein Zweifel! Doch Feltheryn hätte es vorgezogen, seine eigene Ermordung bis zum letzten Akt herauszuzögern. So jedoch lag er am Ende des zweiten Aktes tot in einer Lache aus Schweineblut, und ein volles Drittel der Spielzeit hatte er nichts anderes zu tun, als hinter der Bühne in seinem Kostüm und voller Theaterschminke auf den letzten Vorhang und die anschließende Verbeugung zu warten. Und er konnte sich nicht des heimlichen Verdachts erwehren, daß sein Applaus erheblich größer ausfallen würde, hätte das Publikum nicht die Zeit zu vergessen, wie gut er war, wenn Glisselrand ihm am Abendbrottisch das Messer in die Kehle rammte.
Aber genug davon! Es wurde Zeit, daß die Truppe eine Komödie aufführte, und Die Hochzeit der Zimmermagd war vermutlich die beste Komödie, die jemals geschrieben worden war. Tragödien waren fraglos sehr gut und zogen unvermeidlich größere Mengen an, aber Freistatt war eine Stadt, die genügend eigene Tragödien aufzuweisen hatte. Freistatt konnte ein paar Anlässe zum Lachen gut gebrauchen.
Es gab nur ein kleines Problem, und das bestand darin, daß ihrer Truppe eine dritte Frau fehlte. Glisselrand würde natürlich die Gräfin spielen und Evenita die Titelrolle, die Zimmermagd. Aber dann gab es noch Serafina, das Schulmädchen, zu besetzen, und dazu brauchte man eine gute Schauspielerin, denn die Rolle beinhaltete eine große Menge an Text und ein Lied, und während des größten Teils war die Schülerin auf der Bühne als Schüler verkleidet. Das lag daran, daß sie auf kindliche Weise in die Gräfin vernarrt war und auf ebendiese kindliche und unschuldige Weise ihre Liebe erringen wollte.
Sie hatten früher einmal versucht, die Rolle mit einem Jungen zu besetzen, doch das hatte sich als Katastrophe erwiesen. Das war, bevor sich ihnen Lempchin angeschlossen hatte. Sollten sie gezwungen sein, auf Lempchin zurückzugreifen, würde es schlimmer als eine Katastrophe werden! Und davon abgesehen liebte es das Publikum, ein hübsches junges Mädchen in engen Hosen zu sehen, das vorgab, ein Junge zu sein. Das war Tradition und sogar ein bißchen erotisch.
Nein, sagte sich Feltheryn seufzend, als er am Küchentisch saß und den Text las, sie mußten eine weitere Frau finden, etwas anderes blieb ihnen nicht übrig. Und die beste Gegend, um nach Frauen zu suchen, war das Aphrodisiahaus in der Straße der Roten Laternen. Myrtis hatte ihnen schon einmal geholfen, vielleicht konnte sie ihnen wieder helfen.
Er stieg ins erste Stockwerk hinauf, wo sich Glisselrand auf ein Nachmittagsschläfchen vorbereitete, erklärte ihr ganz genau, was er vorhatte, und erhielt ihren Segen. Was auch immer man sonst von Die Hochzeit der Zimmermagd halten mochte, es war das Stück, in dem alle Sympathie und Liebe der älteren Frau galt, nicht der jüngeren Hauptdarstellerin, und Glisselrand hatte ein Alter erreicht, in dem sie das genoß.
Selbstverständlich würde Feltheryn den Grafen spielen, der auf gewisse Weise ebenfalls ein Schuft war, aber wenigstens würde er diesmal bis zum letzten Vorhang auf der Bühne stehen.
Sein Spaziergang zum Aphrodisiahaus wurde nur durch die von Vomistritus verteilten Wandzeitungen getrübt. Anscheinend war Lempchin noch nicht bis in die Straße der Roten Laternen vorgedrungen. Feltheryn riß ein paar herunter, an denen er vorbeikam, aber der Leim begann bereits zu trocknen, und es war schwer, ihn wieder von seinen Händen loszubekommen. Als er schließlich an die Tür des Aphrodisiahauses klopfte, mußte er sich für seinen Zustand entschuldigen, bat um eine Waschschüssel, und da der Leim noch klebriger war, als er geglaubt hatte, mußte er eine der Damen des Hauses um Hilfe bitten.
Feltheryn war nicht unempfänglich für die Reize der entzückenden jungen Frau, die ihm half, noch verfehlte die geschickte Professionalität, mit der sie zu Werke ging, ihre Wirkung auf ihn. Das älteste Gewerbe der Welt bestand zu mindestens achtzig Prozent aus Theater, wie er sich aus der Zeit seiner wilden und leichtsinnigen Jugend noch erinnerte. Jede Frau konnte Sex für Geld anbieten, aber es erforderte Talent, diesen Sex so erstrebenswert zu machen, daß das Publikum immer wieder zurückkam, um die Show zu genießen.
Und es war eine Show, der Akt selbst war lediglich der letzte Vorhang eines Abends, der sich aus schönen
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