Das Versprechen Des Himmels
ordentlich betrank.
Eine Woche später verhandelte Hanse mit Cholly wegen eines Dolches, den er erkannte: eine hübsche Angelegenheit.
Sicher, sein Griff war beschädigt, aber wer konnte der schönen, mit Silber eingelegten Klinge widerstehen?
Originaltitel: Night Work
Copyright © 1989 by Andrew Offutt
Ins Deutsche übertragen von Rainer Gladys
Feltheryn
Das unfähige Publikum
John DeCles
ERSTER AKT
»Es ist mir völlig egal, ob er der Cousin des neuen Kaisers ist!« schrie Feltheryn der Thespianer und schwenkte ein Plakat durch die Luft, das er von einer Wand gerissen hatte, bevor der Leim getrocknet war. »Wenn Kaiser Theron ihn mögen würde, wäre der Kerl nicht in Freistatt!«
»Liebling«, sagte Glisselrand, während ihre Finger über ein Gewirr vielfarbigen Garns flogen, »es ist ein Unterschied, ob man seine Verwandten mag oder ihnen Übles wünscht. Denk daran, daß Kaiser Abakithis auch unseren lieben Kittycat hierher nach Freistatt geschickt hat, vermutlich, weil er ihn für eine Bedrohung hielt. Niemand hat den geringsten Zweifel daran, daß er Kittycat aus dem Weg haben wollte, aber genausowenig zweifelt irgend jemand daran, daß er erbarmungslos mit jedem umgesprungen wäre, der königliches Blut vergossen hätte.«
»Ich habe ja nicht behauptet, daß wir Vomistritus umbringen sollten«, erwiderte Feltheryn, den die Gelassenheit seiner Frau reizte.
Glisselrand lachte.
»Wenn nicht, mein Süßer, dann ist er der erste Kritiker, dem das erspart geblieben ist, nachdem er eine derartige Besprechung abgeliefert hat!«
(Ja, es stimmte! Der mit Abstand niederträchtigste aller Schurken hatte sich in Freistatt eingeschlichen, ein derart übles Geschöpf, daß alle früheren Widersacher - von Roxane vielleicht einmal abgesehen - neben ihm blaß aussahen. Irgend jemand hatte einmal geschrieben - lange vor dem Fall Rankes, lange vor dem Fall Illsigs -, daß das Erscheinen von Kritik der Vorbote des ersten Anzeichens der Reife einer Kunstform gewesen sei. Doch soweit es Feltheryn betraf, war er der Meinung, daß das Erscheinen der Kritiker das erste Warnsignal der totalen gesellschaftlichen Dekadenz gewesen sei, ein Zeichen, daß die Leute die Kontrolle über ihren Verstand und ihren Geschmack verloren hatten und deshalb auf die Meinung von anderen zurückgreifen mußten.)
»Und das zu Recht!« grollte Feltheryn. Dann begann er pedantisch zu dozieren: »Ein Kritiker ist ein Mensch, der die Ansicht vertritt, man müßte sich von seiner emotionalen Anteilnahme an einem Kunstwerk lösen und unumstößliche Maßstäbe an sämtliche Kunstwerke anlegen, um dadurch ein Urteil über jedes einzelne dieser Werke fällen zu können, das auf Grund von rationalen Kriterien zustande kommt. Und doch ist ein Kunstwerk etwas, das laut seiner Definition die Emotionen direkt anspricht, das Gefühle in etwas hineinträgt, das in Wirklichkeit nichts weiter als ein kaltes Konstrukt ist, ein Kanal, durch den das Herz eines vielleicht längst schon verstorbenen Künstlers das Herz eines Menschen berühren kann, der lange nach ihm lebt!«
Glisselrand sah von ihrer Strickerei auf, die aus einer Reihe kleiner orange-, purpurfarbener und roter Quadrate bestand, die später zu einer volkstümlerischen Steppdecke zusammengefügt und noch später irgend jemandem arge Kopfschmerzen bereiten würde. Sie hob fragend eine elegant geschwungene Augenbraue und forderte ihn damit auf, fortzufahren.
(Es hatte eine Zeit in ihrer Liebesbeziehung gegeben, vielleicht vor dreißig Jahren, als er sich bei solchen Gelegenheiten gefragt hatte, ob sie ihn wirklich verstand, ob es ihr wirklich wichtig war, oder ob sie ihn einfach nur aufzog. Mittlerweile spielte das allerdings keine Rolle mehr, denn es lief letztendlich darauf hinaus, daß sie wollte, daß er weiterredete, und er wollte ebenfalls weiterreden, und außerdem würde sich dadurch sowieso nichts ändern.)
Er atmete tief ein und verkündete seine Schlußfolgerung: »Das bedeutet natürlich, daß ein Kritiker absolut unfähig ist, Kunst überhaupt zu genießen.«
Glisselrand hörte einen Augenblick lang auf zu stricken und überdachte seine Behauptung. Dann lächelte sie, und ihre Finger flogen wieder über die Fäden.
»Wo du es gerade erwähnst«, sagte sie, »genauso schien es in Ranke gewesen zu sein. Dort hat man eine Menge über Form, Struktur und Stil geredet, aber ich bin mir nicht sicher, ob ich jemals einen Kritiker getroffen habe, bei dem ich das Gefühl hatte, er würde
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