Das Versprechen Des Himmels
wirklich verstehen, worüber er sprach. Blitz ohne Feuer, wie der Dichter sagt. Und wenn ich an unsere Jahre in Ranke zurückdenke, glaube ich, wir können froh sein, daß Freistatt nur einen Kritiker hat, selbst wenn der ein besonders übler Zeitgenosse ist und dann auch noch der Cousin des Kaisers.«
Feltheryn knurrte wieder, und Glisselrand fragte sich, ob er vielleicht daran dachte, Die Schlüsselblume aufzuführen, ein Stück, in dem er auf magische Weise in ein Kamel verwandelt wurde.
»Bei all den Fehlern dieser Stadt«, fuhr Feltheryn fort, »bei all den Schrecken, die sie erduldet hat, hat sich das alte Vorurteil über Freistatt schließlich doch als falsch erwiesen. Es war doch nicht der einzige Ort, wie man ihn schlimmer nicht finden kann. In diesem Punkt konnte das stinkende Freistatt erhobenen Hauptes einherschreiten, und ich bin der Meinung, das hätte es ohne einen verdammten Kritiker problemlos weiter tun können!«
»Ja, mein Lieber«, sagte Glisselrand, »darin stimme ich dir zu. Es erstaunt mich bloß, daß die Bürger von Freistatt ganz verrückt danach sind.«
»Das ist natürlich eine Frage des Geldes!« tobte Feltheryn weiter. »Weil es so teuer ist, Theater überhaupt zu produzieren, selbst mit der großzügigen Unterstützung, die wir hier bekommen, ist es auch nicht gerade billig, ins Theater zu gehen. Das ist alles, was ein Geier wie Vomistritus als Aufhänger braucht! Ein bißchen geschickte Rhetorik, eine bissige Ausdrucksweise, ein paar bezahlte Schreiber, die seine Texte fehlerfrei kopieren können, dann muß er die Schimpftiraden nur noch überall in der Stadt ankleben lassen, und schon geben die Leute lieber ein Kupferstück aus, um zu erfahren, was er zu sagen hat, bevor sie ihre Ersparnisse angreifen, um sich die Aufführungen selbst anzusehen. Das gemeinste an der ganzen Sache aber ist die selbstgefällige Befriedigung derjenigen, die nie auch nur eine unserer Aufführungen gesehen haben und sich doch dazu befähigt fühlen, darüber zu diskutieren!«
»Wie lange hängen diese Wandzeitungen eigentlich schon aus?« fragte Glisselrand. Sie unterbrach unvermittelt ihre Arbeit und bedachte Feltheryn mit einem Blick, der dem nicht unähnlich war, den sie dem betrügerischen Gerichtsdiener in der großartigen Gerichtsszene von Der Preis des Kaufmanns zuwarf.
»Also, der Leim war noch feucht, als ich dieses hier abgerissen habe«, erklärte Feltheryn. »Es kann noch nicht allzu lang her sein.«
»Sehr gut!« sagte Glisselrand. »Dann sollten wir Lempchin losschicken, um sie heute noch alle runterzureißen. Dabei sollten wir ihm dann auch gleich die Gelegenheit geben, seinen Auftritt in Verkleidung durchzuführen, damit es nicht so offensichtlich ist, daß wir dafür verantwortlich sind. Wenn Vomistritus nicht gerade sehr wohlhabend ist, wird er seine Schreiber nicht dazu bringen können, die Abschriften so schnell anzufertigen, wie wir sie wieder entfernen. Vielleicht verliert er ja schon bald die Lust daran, Kritiker zu sein, und findet eine andere Möglichkeit, den Leuten auf den Geist zu gehen!«
Lempchin wurde gerufen, und Glisselrand hatte leichtes Spiel, den dicklichen Jungen dazu zu überreden, sich im Interesse der Belegschaft zu verkleiden. Schon kurz darauf konnte sich Feltheryn wieder auf den Text von Die Hochzeit der Zimmermagd konzentrieren, das nächste Stück, das die Truppe aufführen würde.
Ihr derzeitiges Stück, Der Niedergang eines Stars, lief recht erfolgreich, aber Feltheryn spielte den Schurken nicht gerade gern, und Glisselrand wachte jeden Morgen nach den Vorstellungen mit Schmerzen auf, die vom Finale herrührten, von der verzweifelten Szene, in der die Schauspielerin, der >Star< aus dem Titel, sich von der Schloßmauer stürzte, um der Mordanklage aus dem zweiten Akt zu entgehen.
Natürlich gehörte Feltheryn als Schurke diese herrliche Szene im zweiten Akt, in der er einen Monolog über die Freuden der Wollust hielt, und die folgende Szene, in der er die Folterung Snegelringes befahl (eine fürchterliche Sequenz, die aber aus dem Off gespielt wurde), Snegelringe würde allerdings bald eine richtige Folterung verdienen, wenn er sich nicht den Schlafzimmern gelangweilter Damen der besseren Kreise von Freistatt fernhielt. Rounsnouf, der Komödiant der Truppe, spielte den Folterknecht, und er machte seine Sache nicht schlecht, auch wenn man ihn mit eiserner Hand führen mußte, damit er die Szene nicht derart übersteigerte, daß das Publikum zu lachen
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