Das Versprechen Des Himmels
tat das als Zeichen seines Respekts, da er sie so als Gleichgestellte behandelte, nicht als Bittstellerin.
Molin fiel plötzlich auf, daß seine Besucherin das beste Hofrankene sprach, so unauffällig, daß er sich unwillkürlich ebenfalls des Hofrankenes bediente, ohne daß es ihm bisher bewußt gewesen wäre. Es würde ein Vergnügen sein, Gespräche mit einer so kultivierten und höflichen Dame zu führen.
»Und bitte seid auch meines Mitgefühls versichert«, fuhr Mariat fort. »Ich habe gehört, daß Ihr Eure Gemahlin vor einiger Zeit verloren habt.«
»Ja«, erwiderte Molin. »Aber meine Gemahlin und ich lebten schon geraume Zeit getrennt. Trotzdem glaube ich, daß wir beide den Schmerz verstehen, den der Tod bringen kann.«
Molin hielt inne, dann bemühte er sich, das Thema vom allzu Persönlichen abzubringen.
»Welchem Anlaß verdanke ich das Vergnügen dieses so willkommenen Besuchs?« fragte er und ging damit das eigentliche Thema so höflich wie möglich an.
»Ich habe so viel über Euch gehört, Lord Fackelhalter, seit ich in Freistatt angekommen bin. Man sagt, Ihr hättet wahre Wunder für diese Stadt vollbracht, die Stadtmauer erneuert und wieder Ordnung hergestellt«, begann Mariat und lächelte gewinnend.
Fackelhalter blickte ihr ins Gesicht, das für eine Frau ihres Alters erstaunlich hübsch war, und ihm wurde bewußt, daß er schon seit einer Ewigkeit, kein gepflegtes Gespräch mehr mit einer Dame geführt hatte, die in etwa seinem Alter und von seinem Stand war. Dieser Besuch erwies sich als eine angenehme Abwechslung für den sorgenbeladenen Priester.
»Ihr seid zu gütig, Madame. Ich habe mich wirklich bemüht, dieser von Dieben wimmelnden Stadt wenigstens zu ein wenig Achtbarkeit zu verhelfen. Ich erachte Eure zu gütigen Bemerkungen dankbar als Tribut für das bißchen Erfolg, das ich hatte«, sagte der Priester bescheiden.
»So, wie ich es sehe, ist es weit mehr denn nur ein bißchen Erfolg, Mylord. In einigen Gebieten des Reiches hält man Freistatt sogar bereits für einen Ort, wo sich ein neues Leben beginnen läßt«, erwiderte Mariat.
»Ist das denn Eure Absicht, ein neues Leben in Freistatt anzufangen? Ich bin sicher, Kranderon hat gut Vorsorge für Euch getroffen. Vielleicht wärt Ihr an einem der Herrenhäuser in der Oberstadt interessiert? Ich bin sicher, ich kann eine Miete zu einem vernünftigen Preis unter Freunden für Euch arrangieren.« Lord Fackelhalter wurde gewahr, daß er hoffte, diese Dame würde tatsächlich in die Oberstadt ziehen und Teil seines Gesellschaftskreises werden.
»Ich habe etwas Wagemutigeres im Sinn, Mylord«, flirtete Mariat dezent mit dem Priester. »Ich beabsichtige, den Aufbau eines Unternehmens, von dem Freistatts Wirtschaft sehr profitieren kann.«
Das überraschte sogar den an Intrigen gewöhnten Molin. Er blinzelte erstaunt.
»Was meint Ihr?« fragte er.
»Vielleicht hättet Ihr gern Euren Schreiber dabei, damit er Notizen über Einzelheiten meines Vorschlags machen kann?« sagte Mariat. Plötzlich, aber geschickt, wurde aus der großen Dame die Geschäftsfrau.
Molin stand auf und trat an die Tür.
»Hoxa!« rief er. »Würdet Ihr bitte mit Feder und Pergament zu uns kommen?«
Als der Schreiber des Priesters sich setzte, legte Mariat ihre Zukunftspläne dar. So skeptisch Molin in seinem üblichen Zynismus zunächst war, so mitgerissen lauschte er schließlich. Und Hoxa war so verblüfft über die brillante Einfachheit des Plans, daß er mehrmals vergaß, Notizen zu machen, und der Winzerwitwe nur atemlos zuhörte. Dann mußten sie die Punkte natürlich noch einmal durchgehen, die er nicht notiert hatte, damit alles niedergeschrieben werden konnte.
Nachdem sie die erforderliche Auskunft und die Antworten auf gewisse Fragen von dem Priester erhalten hatte, verabschiedete sich Mariat von Molin Fackelhalter, der zugesagt hatte, daß er am folgenden Tag am Treffen der Kaufleute im >Warmen Kessel< teilnehmen würde.
Als Mariat den Palastflügel verließ, in dem des Priesters Büro untergebracht war, fühlte sie sich leichtfüßig und viel jünger, als sie an Jahren war. Alles schien sich großartig zu entwickeln.
In Fackelhalters Büro bemerkte Hoxa optimistisch: »Ich glaube, daß sie es wirklich schaffen kann. Sie sieht Freistatt tatsächlich nicht als Stadt, die abgerissen gehörte, sondern als Ort, wo man aufbauen kann.« Er blickte seinen Vorgesetzten fragend an: »Könnte es sein, daß dies nicht mehr dieselbe Stadt ist wie die,
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