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Das Versteck

Das Versteck

Titel: Das Versteck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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sich einfach bewußt, daß Harrisons Zustand weiterhin kritisch war. Den Kampf mit dem Tod hatten sie zwar gewonnen, aber ihr Patient hatte das Bewußtsein noch nicht wiedererlangt. Solange man seinen Geisteszustand nicht überprüfen konnte, ließ sich nicht ausschließen, daß er nur ins Leben zurückgeholt worden war, um jämmerlich dahinzuvegetieren, tragisch eingeschränkt in seinen Möglichkeiten, weil er irreparable Gehirnschäden erlitten hatte.
12
    Berauscht vom köstlichen Parfüm des Todes und geborgen in der unterirdischen Abgeschiedenheit, ging Vassago bewundernd an seiner Kollektion entlang, die Luzifers Kolossalstatue kreisbogenförmig zu einem Drittel umgab.
    Eines der männlichen Exponate war ihm ins Netz gegangen, als es nachts auf einem gottverlassenen Abschnitt des Ortega Highway einen Reifen wechselte. Das zweite hatte auf einem Parkplatz am Strand im Wagen geschlafen. Das dritte hatte versucht, Vassago in einer Bar in Dana Point abzuschleppen. Es war nicht einmal eine Schwulenkneipe gewesen. Der Bursche war einfach betrunken gewesen, einsam, verzweifelt – und leichtsinnig.
    Nichts brachte Vassago so in Rage wie die sexuellen Bedürfnisse und Lüste anderer. Er selbst hatte an Sex kein Interesse mehr, und er vergewaltigte keine der Frauen, die er umbrachte. Aber der Ekel und Zorn, die ihn überfielen, sobald er bei anderen sexuelle Begierden wahrnahm, hatten nichts mit Neid zu tun, beruhten keineswegs auf dem Gefühl, daß seine Impotenz ein Fluch oder auch nur eine unfaire Benachteiligung sei. Nein, er war froh, von Lust und Begierde frei zu sein. Seit er ein Bürger des Grenzlandes war, kannte er ganz andere Freuden. Er konnte sich selbst nicht so recht erklären, warum ihn allein schon der Gedanke an Sex manchmal so in Wut brachte, warum ein kleiner Flirt oder ein kurzer Rock oder auch ein enger Pulli über üppigen Brüsten ihn zum Foltern und Morden anstacheln konnte, aber er vermutete, daß es der unauflösliche Zusammenhang zwischen Sex und Leben war, der ihn anwiderte. Neben dem Selbsterhaltungstrieb war Sexualität die stärkste Motivation menschlichen Handelns, jedenfalls wurde das immer wieder behauptet. Sex führte zur Entstehung neuen Lebens. Und weil er das Leben in all seiner protzenden Vielfalt haßte, blindwütig haßte, haßte er Sex natürlich auch.
    Er tötete Frauen lieber als Männer, weil die Gesellschaft Frauen in weit stärkerem Maße dazu verleitete, ihre Sexualität zur Schau zu stellen, mit Hilfe von Make-up, verführerischen Düften, offenherzigen Kleidern und kokettem Getue. Außerdem war es der Schoß der Frau, aus dem neues Leben geboren wurde, und Vassago hatte sich geschworen, Leben zu vernichten, wo immer er nur konnte. Von Frauen kam das eine, was er an sich selbst verabscheute: der Funke Leben, der noch immer in ihm brannte und ihn daran hinderte, in das Land der Toten einzugehen, wohin er gehörte.
    Außer Jenny besaß er weitere sechs weibliche Exponate: zwei Hausfrauen, eine junge Anwältin, eine Arzthelferin und zwei Collegestudentinnen. Obwohl er sich bei jeder Leiche viel Mühe gegeben hatte, Persönlichkeit, Gesinnung und Schwächen der Frau durch das jeweilige Arrangement zum Ausdruck zu bringen und obwohl er ein großes Talent für Kadaverkunst besaß, speziell was die Verwendung verschiedenartigster Requisiten anlangte, so gefiel ihm doch der Effekt, den er bei einer der Studentinnen erzielt hatte, mehr als all seine anderen Werke zusammen.
    Vor ihr blieb er stehen.
    Er betrachtete sie in der Dunkelheit, begeistert über sein Meisterwerk …
    Margaret …
    Zum erstenmal sah er sie bei einem seiner rastlosen nächtlichen Streifzüge, in einer schwach beleuchteten Bar unweit des Universitätsgeländes, wo sie an einer Diätcola nippte, entweder weil sie noch nicht alt genug war, um wie ihre Freunde Bier ausgeschenkt zu bekommen, oder aber, weil sie sich nichts aus Alkohol machte. Er vermutete das letztere.
    Ihr war deutlich anzumerken, daß sie sich in der lauten, verrauchten Kneipe denkbar unwohl fühlte. Sogar aus einiger Entfernung konnte Vassago an ihrer Körpersprache und ihren Reaktionen auf ihre Freunde erkennen, daß sie im Grunde schüchtern war, sich aber den anderen anzupassen versuchte, obwohl sie tief im Herzen wußte, daß sie nie ganz dazugehören würde. Das laute Stimmengewirr der zumeist Angetrunkenen, das Klirren der Gläser, die ohrenbetäubende Jukebox-Musik von Madonna, Michael Jackson und Michael Bolton, der Gestank nach

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