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Das Versteck

Das Versteck

Titel: Das Versteck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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er sie deshalb in eine Stellung, die zu einer liederlichen Person paßte. Er zog sie aus und setzte sie auf den Boden, mit weit gespreizten Schenkeln und hochgezogenen Knien. Damit sie nicht umfiel, band er ihre zarten Handgelenke an den Schienbeinen fest. Dann zog er mit Hilfe starker Seile ihren Kopf vornüber nach unten, viel tiefer, als sie sich hätte vorbeugen können, als sie noch am Leben gewesen war, so daß ihr Zwerchfell brutal zusammengedrückt wurde. Zuletzt wickelte er die Seile um ihre Schenkel, so daß sie nun bis in alle Ewigkeit die Spalte zwischen ihren Beinen betrachten und über ihre Sünden nachdenken konnte.
    Jenny war das erste Stück in seiner Sammlung gewesen. Seit neun Monaten tot und aufgebunden wie ein Schinken in der Räucherkammer, war sie mittlerweile ausgedörrt, eine mumifizierte Schale, an der Würmer und andere Verwesungsliebhaber kein Interesse mehr hatten. Sie stank auch nicht mehr so wie früher.
    In ihrer abartigen Position hatte sie inzwischen mit einem Lederball mehr Ähnlichkeit als mit einem menschlichen Wesen. Man konnte sich kaum noch vorstellen, daß sie einmal eine sehr lebendige Person gewesen war, und fast genauso schwierig war es, in ihr eine tote Person zu erkennen. Folglich schien der Tod nicht mehr in ihren Überresten zu residieren. Für Vassago hatte sie aufgehört, eine Leiche zu sein; sie war nur noch ein eigenartiger Gegenstand, scheinbar schon immer unbelebt. Deshalb hatte er an ihr, obwohl sie seine Sammlung eröffnet hatte, nur noch ein minimales Interesse.
    Er war einzig und allein vom Tod und von den Toten fasziniert. Die Lebenden interessierten ihn nur insofern, als sie den Keim des Todes in sich trugen.
11
    Das Herz des Patienten schwankte zwischen leicht und stark beschleunigter Tätigkeit hin und her, zwischen hundertzwanzig und über zweihundertdreißig Schlägen pro Minute, ein durch das Epinephrin und die Hypothermie bedingter vorübergehender Zustand. Nur daß es sich hier nicht um einen vorübergehenden Zustand zu handeln schien. Die Arrhythmie wurde im Gegenteil immer stärker, was letztlich zum Herzstillstand führen konnte.
    Jonas schwitzte jetzt nicht mehr; er war viel ruhiger, seit der Kampf mit dem Tod voll entbrannt war. »Gib ihm lieber einen Stoß«, sagte er. Keiner zweifelte daran, wem diese Aufforderung galt, und Ken Nakamura drückte die kalten Elektroden denn auch sofort auf Harrisons Brust, oberhalb und unterhalb des Herzens. Der Patient bäumte sich auf und prallte heftig auf den Tisch zurück, ein Geräusch, als hätte man mit einer Eisenstange auf ein Ledersofa geschlagen – Wuwumm!
    Jonas starrte selbst auf den Elektrokardiographen, obwohl Karl die Linien auf dem Bildschirm laut erklärte: »Noch immer zweihundert Schläge pro Minute, aber rhythmisch … ja … regelmäßig … regelmäßig …«
    Auf dem Elektroenzephalographen waren jetzt Alpha- und Beta-Gehirnströme zu beobachten, die für einen bewußtlosen Menschen durchaus im normalen Bereich lagen.
    »Die Lunge arbeitet selbständig«, meldete Ken.
    »Okay«, entschied Jonas, »beatmen, damit er genug Sauerstoff in seine kleinen grauen Zellen kriegt.«
    Gina legte Harrison sofort die Sauerstoffmaske aufs Gesicht.
    »Körpertemperatur auf vierunddreißig Grad gestiegen«, berichtete Helga.
    Die Lippen des Patienten waren noch immer bläulich, aber unter seinen Fingernägeln war diese Verfärbung bereits fast verschwunden.
    Auch seine Muskelspannkraft regenerierte sich. Sein Fleisch war nicht mehr so schlaff wie das eines Toten. Während das Leben in seine tiefgefrorenen Glieder zurückkehrte, begannen seine geplagten Nervenenden unkontrolliert zu zucken.
    Seine Augen rollten und hüpften unter den geschlossenen Lidern, ein sicheres Anzeichen von REM-Schlaf. Er träumte.
    »Hundertzwanzig Schläge pro Minute«, sagte Kari, »jetzt völlig rhythmisch … sehr stabil.«
    Gina warf einen Blick auf ihre Uhr und stieß vor Staunen laut den Atem aus. »Achtzig Minuten!«
    »Sackerment!« rief Ken ungläubig, »wir haben den Rekord um zehn Minuten geschlagen!«
    Jonas gab die offizielle Erklärung für das Tonband ab: »Patient um 21 Uhr 32 am Montagabend, 4. März, erfolgreich reanimiert.«
    Zu lautem Jubel, wie er auf einem richtigen Schlachtfeld jetzt wohl zu hören gewesen wäre, waren sie nicht aufgelegt, aber sie beglückwünschten einander und lächelten sich erleichtert und glücklich an. Ihre Zurückhaltung hatte nichts mit falscher Bescheidenheit zu tun. Sie waren

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