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Das Versteck

Das Versteck

Titel: Das Versteck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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Figuren der Verdammten, über hundert, als die Hölle noch in Betrieb gewesen war, waren ebenso verschwunden wie elf der zwölf Dämonen. Verstummt waren auch die schauerlichen Schreie der Gemarterten, das Klagen, Heulen und Zähneklappern vom Tonband. Doch nun beherbergte diese verlassene Stätte etwas viel Besseres als Roboter, etwas viel Realistischeres: Vassagos Sammlung.
    Im Mittelpunkt des Raumes wartete Satan in all seiner Majestät, grausam und gewaltig. Die massive Statue des Höllenfürsten – vielmehr seines Oberkörpers – war von der Taille bis zu den Hörnerspitzen gut zehn Meter hoch. Früher hauste der Herr der Finsternis in einer tiefen Grube von fünf Meter Durchmesser unter dem See und tauchte in regelmäßigen Abständen aus dem Wasser empor, mit riesigen Feueraugen, knirschenden messerscharfen Zähnen, mahlenden Kiefern und gespaltener Zunge. Mit Donnerstimme warnte er: »Ihr, die ihr hier eingeht, lasset alle Hoffnung fahren!«, und lachte schauerlich.
    Vassago war als Junge oft mit dieser Geisterbahn gefahren – damals, als er noch zu den Lebenden gehörte, als er noch kein Bewohner des Grenzlandes war –, und in jener Zeit hatte ihn der Teufel fasziniert, besonders das gräßliche Lachen. Wenn das Monster jetzt wie durch ein Wunder wieder lebendig geworden wäre, hätte es Vassago nicht mehr beeindruckt, denn inzwischen war er alt und erfahren genug, um zu wissen, daß Satan niemals lachte, daß er dazu überhaupt nicht fähig war.
    Vassago blieb vor dem emporragenden Luzifer stehen und betrachtete die Statue mit einer Mischung aus Verachtung und Bewunderung. Natürlich war es ein kitschiger Teufel, eben ein Jahrmarktsspuk, der die Blasen kleiner Kinder auf eine harte Probe stellte und weiblichen Teenagern einen willkommenen Vorwand bot, sich kreischend und schutzsuchend in die starken Arme ihrer grinsenden Freunde zu werfen. Aber er mußte doch zugeben, daß der Künstler durchaus eine eigene Vision gehabt hatte, anstatt sich an die traditionelle Darstellung von Satan zu halten. Dies war kein Wüstling mit magerem Gesicht, Adlernase, schmalen Lippen, spitzem Kinn und Ziegenbärtchen. Nein, dies war eine Bestie, die diesen Namen wirklich verdiente: teils Reptil, teils Insekt, teils Mensch, abstoßend genug, um Furcht zu erregen, vertraut genug, um real zu wirken, und fremdartig genug, um Ehrfurcht zu erwecken. Staub, Verwitterung und Feuchtigkeit vieler Jahre hatten ihm Patina verliehen und die grellen Farben verblassen lassen, so daß er jetzt fast so ein drucksvoll aussah wie jene gigantischen Steinstatuen ägyptischer Götter, die in uralten Tempeln gefunden werden, tief begraben in Wüstensand.
    Obwohl Vassago nicht wußte, wie Luzifer in Wirklichkeit aussah, und obwohl er vermutete, daß der »Vater der Lüge« viel imposanter – und schrecklicher – als diese Geisterbahnversion war, fand er das Gebilde aus Plastik und Schaumstoff doch so eindrucksvoll, daß er es zum Mittelpunkt seiner heimlichen Existenz in diesem Schlupfwinkel gemacht hatte. Zu Füßen Luzifers hatte er auf dem Betonboden des trockengelegten Sees seine Sammlerstücke kunstvoll arrangiert, teilweise zu seiner eigenen Freude und Belustigung, teilweise aber auch als Opfergabe für den Herrn des Schreckens: Die nackten Körper von sieben Frauen und drei Männern in verschiedenen Stadien der Verwesung waren möglichst vorteilhaft zur Schau gestellt, zehn exquisite Statuen eines perversen Michelangelo in einem Museum des Todes.
9
    Ein einziges Schnaufen, einige krampfhafte Zuckungen der Herzmuskeln und eine unwillkürliche Nervenreaktion, die bewirkte, daß der rechte Arm zuckte und die Finger sich öffneten und schlossen wie die Beine einer sterbenden Spinne – das waren die einzigen Lebenszeichen des Patienten, bevor er wieder in die Regungslosigkeit der Toten zurückfiel.
    »Dreißig Grad«, meldete Helga.
    Ken Nakamura fragte: »Defibrillation?«
    Jonas schüttelte den Kopf. »Er hat kein Herzflimmern. Sein Herz schlägt überhaupt nicht. Wir müssen abwarten.«
    Kari hielt eine Spritze hoch. »Epinephrin?«
    Jonas ließ die Monitore nicht aus den Augen. »Warten wir noch. Wir wollen ihn schließlich nicht zurückholen, nur damit er dann wegen Überdosierung eine Herzattacke erleidet.«
    »Sechsundsiebzig Minuten.« Helgas Stimme klang so jung, atemlos und aufgeregt, als würde sie den Punktestand eines Volleyballspiels am Strand angeben.
    »Einunddreißig Grad.«
    Harrison schnaufte wieder. Sein Herz stotterte,

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