Das Versteck
in den Händen hielt. Diese Position symbolisierte ihre Heuchelei, verhöhnte ihren Glauben an die Liebe und das ewige Leben.
Obwohl ihre Ermordung ihm bei weitem nicht soviel Vergnügen bereitet hatte wie das anschließende Arrangieren des Kunstwerkes, war Vassago noch immer sehr zufrieden, daß er ihre Bekanntschaft gemacht hatte. Ihr Eigensinn, ihre Dummheit und Selbsttäuschung hatten ihm die Freude an ihrem Tod verdorben, aber zumindest war jene Aura erloschen, von der sie in der Bar umgeben gewesen war. Ihre unerträgliche Vitalität war dahin. Das einzig Lebendige in ihr waren jetzt die vielen Maden, die sich in ihrem Körper tummelten und sich an ihrem Fleisch gütlich taten. In absehbarer Zeit würde auch sie nur eine verdorrte Hülse sein, wie Jenny, die Kellnerin.
Während er Margaret betrachtete, erwachte in ihm ein vertrautes Bedürfnis, das bald zwanghaft wurde. Er wandte sich von seiner Kollektion ab, durchquerte den riesigen Raum, eilte die Rampe hinauf, in den Eingangstunnel. Ein Objekt auszuwählen, zu töten und in ästhetisch perfekter Pose zu arrangieren, verschaffte ihm normalerweise anschließend eine Ruhepause von etwa einem Monat. Doch diesmal war er schon nach weniger als zwei Wochen gezwungen, ein neues würdiges Opfer zu finden.
Bedauernd ließ er den läuternden Duft des Todes hinter sich und mußte sich wieder an eine Luft gewöhnen, die mit den Gerüchen des Lebens verpestet war – wie ein Vampir, der gezwungen ist, Jagd auf die Lebenden zu machen, obwohl er die Gesellschaft der Toten bevorzugt.
13
Um halb elf, fast eine Stunde nach seiner Wiederbelebung, war Harrison noch immer bewußtlos. Seine Körpertemperatur war normal. Herzschlag und Atmung waren äußerst zufriedenstellend. Und obwohl die Alpha- und Beta-Gehirnwellen tiefen Schlaf anzeigten, gab es keinerlei alarmierende Hinweise darauf, daß es sich um ein Koma handeln könnte. Als Jonas schließlich erklärte, der Patient sei außer unmittelbarer Lebensgefahr, und ihn in ein Privatzimmer im fünften Stock bringen ließ, beschlossen Ken Nakamura und Kari Dovell nach Hause zu fahren. Jonas ließ Helga und Gina bei dem Patienten und begleitete den Neurologen und die Kinderärztin zu den Waschbecken und schließlich bis zum Dienstausgang, der auf den Parkplatz für das Personal führte. Sie sprachen kurz über Harrison und über die Behandlungsmethoden, die am nächsten Morgen vielleicht erforderlich sein würden, aber größtenteils unterhielten sie sich über Belanglosigkeiten und erzählten einander den neuesten Klatsch, obwohl man eigentlich hätte meinen können, daß sie über solche Banalitäten erhaben sein müßten, nachdem sie soeben an einem Wunder mitgewirkt hatten.
Hinter der Glastür sah die Nacht kalt und unfreundlich aus. Es hatte zu regnen begonnen.
Pfützen füllten jede Unebenheit im Pflaster, und im Schein der Parkplatzbeleuchtung sahen sie wie zerbrochene Spiegel aus, wie eine Ansammlung scharfer silbriger Scherben.
Kari küßte Jonas auf die Wange und lehnte sich sekundenlang an ihn. Sie schien etwas sagen zu wollen, fand aber offenbar nicht die richtigen Worte. Dann straffte sie sich wieder, stellte ihren Mantelkragen hoch und eilte in den windgepeitschten Regen hinaus.
Ken Nakamura blieb noch neben Jonas stehen. »Ich hoffe, du weißt, daß sie die ideale Partnerin für dich wäre.«
Jonas betrachtete die zum Wagen rennende Frau durch die nasse Glasscheibe hindurch. Es wäre eine Lüge gewesen zu behaupten, daß er in Kari nie auch die Frau sah. Sie war zwar sehr groß und schlank und hatte ein einschüchterndes Auftreten, aber zugleich war sie doch sehr feminin. Er bewunderte oft ihre schmalen Handgelenke und ihren Schwanenhals, der zu anmutig und zart schien, um ihren Kopf tragen zu können. Aber sie war intellektuell und emotional viel stärker, als sie aussah. Andernfalls hätte sie nie all die Hindernisse und Herausforderungen überwinden können, mit denen eine Frau in der Welt der Medizin konfrontiert wurde, wo noch immer Männer dominierten, für die Chauvinismus oft weniger eine Charaktereigenschaft als vielmehr ein Glaubensartikel war.
»Du bräuchtest sie nur zu fragen, Jonas«, fuhr Ken fort, »weiter nichts.«
»Ich bin nicht frei.«
»Du kannst nicht ewig um Marion trauern.«
»Es ist erst zwei Jahre her.«
»Ja, aber irgendwann mußt du dich dem Leben zuwenden.«
»Noch nicht.«
»Wann dann? Oder nie?«
»Ich weiß es nicht.«
Kari Dovell hatte inzwischen ihren Wagen
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