Das Versteckspiel (T-FLAC) (German Edition)
lauschte den Tropfen, die von den Bäumen auf die Segeltuchwände fielen. Warum dauerte es so lange, bis sie das beklemmende Schweigen brach?
»Ich hatte eine Fehlgeburt. «
In ihren Augen las er Emotionen, die er nie zuvor gesehen hatte und zunächst nicht deuten konnte. Zorn? Nein. Schuldgefühle. Und tiefe Trauer.
Es drängte ihn, Delanie zu umarmen. Danach sehnte er sich so inbrünstig, dass seine Kehle schmerzte. Aber bevor sie einander trösten konnten, musste sie ihren qualvollen Kummer bewältigen. Kampflustig hob sie das Kinn und forderte ihn heraus. Wozu?
»War’s dir egal, weil du mich gehasst hast? «, fragte er leise. Daran glaubte er keine Sekunde lang.
Um Himmels willen, Dschungel Girl, was soll ich mit dir machen?
»Gibst du mir die Schuld daran? « Er hörte sie stöhnen und bezwang den Impuls, ihre Hand zu ergreifen. Vorerst war es für sie beide besser, wenn sie einander nicht berührten. Er zog seine Hose hoch und rückte von Delanie weg, die Fäuste auf den Knien.
»Anfangs dachte ich an eine Abtreibung. Ich war so wütend. Auf dich. Auf mich selber. Und weil mich meine Familie mit bitteren Vorwürfen überhäufte. Mein Verstand sagte mir, ein Schwangerschaftsabbruch würde das Problem lösen, auf praktische, logische Weise. Aber mein Herz … Letzten Endes konnte ich mich nicht dazu durchringen. « Krampfhaft bewegten sich ihre Halsmuskeln, und sie schien mit den Tränen zu kämpfen. »So sehr liebte ich sie«, flüsterte sie verzweifelt. »Und der Allmächtige nahm sie mir weg.«
Unaufhaltsam stiegen ihr Tränen in die Augen. Zum Teufel damit … Kyle neigte sich zu ihr und riss sie in seine Arme. »Wie sehr du sie geliebt hast, spielt keine Rolle. « Ihre Wange fühlte sich heiß und feucht an seiner an, und in seiner Kehle stieg ein Schluchzen auf, als sie zögernd seine Taille umschlang. Offenbar wusste sie nicht, ob sie willkommen war. Und dann klammerte sie sich ganz fest an ihn. Er vergrub sein Gesicht in ihrem Haar und kniff die tränennassen Augen zusammen. Gemeinsam trauerten sie um ihren Verlust. »Es wäre dein gutes Recht gewesen, zu tun, was dir richtig erschien zum Wohl deiner Familie. « Zärtlich drückte er ihren Kopf an seine Brust und streichelte ihr den Rücken.
»O Kyle, du warst nicht da. Und ich konnte nur daran denken, dass ich noch ein Maul stopfen müsste, das noch jemand von mir abhängig wäre. Noch einmal achtzehn Jahre, bis …« Sie lachte freudlos. »Welch eine Ironie 一 mein schlechtes Gewissen beim bloßen Gedanken an eine Abtreibung belastete mich viel stärker, als es das Baby jemals geschafft hätte. «
Wie zerbrechlich sie war, mit dünnen Knochen und zarter Haut … Angesichts ihrer unbeugsamen Willenskraft staunte er ständig wieder, wenn er sie berührte und feststellte, dass sie nicht aus Stahl bestand.
»Jetzt wünschen sich meine Arme immer noch, das kleine Mädchen fest zu halten. « Liebevoll wiegte er sie hin und her und ließ sie weinen.
Nachdem sie ihm endlich anvertraut hatte, was mit ihrem Baby geschehen war, fühlte sie sich erleichtert. Und seit sie ihr Leid mit Kyle teilte, lag es nicht mehr so bleischwer auf ihrer Seele. An ihrer Wange spürte sie seine Herzschläge. Welch eine Wohltat, gestreichelt und getröstet zu werden. In ihren Augen brannten neue Tränen. Sie versuchte sich seinen Duft einzuprägen, das befühl seiner Nähe 一 eine schöne Erinnerung für später. Als sie sich bewegte, ließ er sie sofort los.
Ohne seine Arme fröstelte sie. Nicht, dass er sich in diesem kleinen Zelt allzu weit entfernen konnte. An ihrer Seite nahm sie immer noch die Wärme seines Körpers wahr. Zu ihrer eigenen Überraschung musste sie gähnen. »Red mit mir. «
»Willst du eine Gutenachtgeschichte hören? «
»Ja. Mit einem Happy End. Erzähl mir von deiner Familie. «
»Okay. Wenn du dich hinlegst und die Augen schließt. Das war ein verdammt harter Tag, und du brauchst ein bisschen Ruhe. «
Widerspruchslos gehorchte sie. »Fang an. «
»Ich hatte Glück, meine Familie ist wundervoll, und wir verstehen uns großartig. «
Aus seiner Stimme hörte sie ein Lächeln heraus. Geistesabwesend ließ er seine Finger durch ihr Haar gleiten, eine sanfte beschwichtigende Liebkosung. »Ist dein Dad verwitwet? «
»Ja. Einen Tag nach meinem siebten Geburtstag erlitt Mom einen tödlichen Unfall. Ein betrunkener Autofahrer. Guter Gott, ich erinnere mich wieder … Als meine Mutter begraben wurde, stand nach wie vor der Rest meiner
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