Das Versteckspiel (T-FLAC) (German Edition)
stehen und knipste die Taschenlampe aus. Hatte ein Zweig geknackt? Die Vögel schliefen in ihren Nestern. Zumindest zwitscherten sie nicht. Hielt sich sonst jemand hier draußen auf? Einer von Monteros Soldaten? Sie beugte sich vor und spähte zwischen die Blätter. Aber es war so dunkel, dass sie nichts sah. An ihrer Seite drückte eine kleine Regenpfütze einen überdimensionalen Farnwedel nach unten, und das Wasser besprühte ihre Schultern.
Auch zur Linken bewegte sich ein Farn. Plötzlich umschlang ein Arm ihren Hals, brachte sie aus dem Gleichgewicht und jagte ihr kalte Angst ein. Ihr Rücken wurde an eine harte Männerbrust gepresst. Nicht Kyle, das erkannte sie sofort. Wer immer das ein mochte. Er war noch kräftiger gebaut.
»Verdammter Hurensohn, lassen Sie mich los. « Delanie rammte ihren Ellbogen in seinen Magen. Aber er stöhnte nur, ohne seinen Griff zu lockern.
Für ein paar Sekunden erschlaffte ihr Körper, und der Arm ihres Gegners sank hinab. Sie sprang von ihm weg, schwang ein Bein empor und zielte auf sein Kinn. Gepeinigt rang sie nach Atem, als die Bewegung ihrem verletzten Knöchel einen brennenden Schmerz zufügte.
Der Mann reagierte unglaublich schnell und packte ihren Fuß. Kurz hielt er ihn fest, dann hob er ihn noch höher, so dass sie umkippte und mit einem entwürdigenden Schrei auf dem Hosenboden landete.
Im nächsten Moment zog er sie auf die Beine und nahm sie auf die Arme. Während er sie zum Camp trug, strampelte sie wütend und bohrte ihre Nägel in seine Hand, die er gegen ihre Kehle drückte.
Kyle stand im schwachen Lichtkreis einer Kerosinlampe und begrüßte die beiden mit der Mündung einer Uzi. Da gönnten ihr die starken Finger auf ihrem Hals ein wenig Atemluft. Diese Gelegenheit nutzte sie, um kräftig nach dem Bastard zu treten. Er lachte leise. »Gehört sie zu dir? «
»Allerdings. Hi, Bruderherz.« Lächelnd legte Kyle die Waffe ins Gras, befreite ihn von seiner Last und stellte Delanie neben sich auf die Beine. Dann schlang er einen Arm um ihre Schultern.
Obwohl ihr diese besitzergreifende Geste missfiel, trat sie noch näher zu ihm. Dabei ließ sie ihren Widersacher nicht aus den Augen. Unauffällig wischte sie sich mit ihrem Oberarm den Schweiß aus dem Gesicht. Die Brandwunde schmerzte höllisch. Aber sie biss die Zähne zusammen und musterte die zwei Männer.
Großer Gott, ein Klon von Kyle. Nicht ganz. Sein Bruder wirkte kräftiger und sah etwas zivilisierter aus. Was nicht viel besagte. Sein dunkles Haar war militärisch kurz geschnitten. Zu einem breiten Grinsen trug er einen Navy Arbeitsanzug und schwere Stiefel.
»Erschieß ihn! «, zischte Delanie und strich über ihren klatschnassen Hosenboden.
»O nein«, widersprach Kyle lachend, »das ist ein guter Junge. «
»Könnte das ein Oxymoron sein? Falls du nicht weißt, was das heißt«, fügte sie höhnisch hinzu, »das ist die Verbindung zweier sich widersprechender Begriffe. « Sie schüttelte seinen Arm ab, ging davon und schenkte sich einen Becher Kaffee ein.
Angesichts seines frisch rasierten Bruders im makellos sauberen Anzug fühlte sie sich wie eine Stadtstreicherin, die soeben aus ihrem Quartier in einer Mülltonne aufgetaucht war.
»Verdammt noch mal! «, stöhnte Michael, als er einen Blick beobachtete, den die beiden wechselten. »Du schläfst mit ihr.«
Beinahe verschluckte sich Delanie an ihrem Kaffee.
»San Francisco«, erklärte Kyle knapp.
»Tatsächlich?« Mit täuschend schläfrigen Augen schaute sein Bruder von einem zum anderen. »Was Ernstes?«
»Todernst.«
»Regeln?«
»Bangkok«, erwiderte Kyle trocken, und beide Männer lachten.
Michael wandte sich zum Zelt. »Wo ist die andere? «
»Die habe ich noch nicht gefunden. Delanie, mein Bruder Michael. Delanie Eastman.«
»Ihr beide müsst denselben Charme-Kurs besucht haben«, meinte sie honigsüß. Den dampfenden Becher in der Hand, trat sie wieder an Kyles Seite.
Kyle nahm ihr den Becher weg, trank daraus und gab ihn ihr zurück. »Wann kommen die anderen? «,fragte er seinen Bruder.
»Jeden Moment.« Michael zog einen Becher aus seinem kleinen Rucksack, ging zur kleinen Feuerstelle und ergriff die Kanne. »Kaffee, Tin Man? «, fragte er den Mann, der gerade zwischen den Bäumen hervorkam.
Noch so ein riesiger Kerl,
dachte Delanie.
»Ja, bitte.« Bei Kyles Anblick wirkte der Neuankömmling seltsam erleichtert.
»He, was machst du denn hier? « Sichtlich verblüfft, schlug Kyle ihm auf die breite Schulter.
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