Das vertauschte Gesicht
und dann in den Motorradladen hatte gehen sehen.
»Ich muss mich für alle Unannehmlichkeiten entschuldigen, Kommissar.« »Ich bin selber schuld.« »Sie werden immer frecher.« »Sie sagen es.«
»Aber wir dürfen nicht aufgeben, oder?« »Nein.«
»Was soll aus der Welt werden, wenn die Polizei aufgibt?«, sinnierte der Polizist, und Winter überlegte, ob er sagen sollte, dass er im Augenblick keine Zeit für philosophische Überlegungen hatte. Der Mann sprach ausgezeichnet Englisch. Sie könnten sich noch lange unterhalten. »Wenn die Polizei aufgibt, geht die Welt unter.«
»Brauchen Sie noch mehr Angaben?«
»Wie bitte? Nein. Ich muss das nur fertig ausfüllen.«
Der Mann schrieb schweigend, er schrieb entschieden langsamer als er sprach. Es war eine Frage der Konzentration. Winter wollte ihn nicht stören. Vielleicht wurde er dann sauer.
»So. Das ist erledigt. Würden Sie bitte hier unterschreiben? Bitte beide Kopien.«
Winter unterschrieb und stand auf, die eine Kopie in der Tasche.
»Jetzt passen Sie besser auf, Kommissar«, sagte der Polizist, und Winter versuchte Ironie herauszuhören, aber das Gesicht des Mannes war ganz ausdruckslos, vielleicht etwas bekümmert. »Da draußen, das ist eine harte Welt.«
Als er am Tresen vorbeiging, öffnete Alicia ihre Tür und kam mit einem neuen Formular heraus. Winter sah, wie sich ein Tourist von seinem Stuhl vorm Schreibtisch erhob.
»Good bye, inspector Erik«, sagte sie und lächelte ihr schönes Lächeln.
Er dachte noch an sie, während er den Hügel hinunterging. Erst als er schon hinter dem Lenkrad des Autos saß, fiel ihm ein, dass er zur Bank musste.
12
Maria und Patrik bummelten im Zentrum herum. Es war kälter geworden, und der Wind kam von Norden. Maria steckte die Hände in die Taschen.
»Hast du keine Handschuhe dabei?«
»Ich hatte es so eilig. Und außerdem hab ich auch gedacht, sie stecken in der Jackentasche.« »Es ist kalt.«
»Besser jedenfalls, als wenn es regnet.«
»Hast du Zigaretten?« Sie blieb vorm McDonald's stehen. Die Geschäfte im Einkaufszentrum hatten geschlossen, aber die Türen zur Wärme waren noch geöffnet.
»Ich wollte aufhören mit Rauchen.«
»Aufhören? Du hast doch kaum angefangen.«
»Ich mag es nicht.«
»Wer mag das schon?«, sagte sie und ging in das Einkaufszentrum. Sie spürten den warmen Luftzug von der Klimaanlage. Hinter ihnen kam eine Gruppe Erwachsener herein und überholte sie. Alle schienen zu lachen. Maria nahm den Geruch nach Alkohol, Parfüm und Rasierwasser wahr. Die Erwachsenen blieben vor dem Lokal King Creole stehen und betraten es im selben Moment, als Maria und Patrik an ihnen vorbeigingen.
»Tanzabend«, sagte er und lachte.
»Die können wenigstens irgendwo hingehen.«
»Dann bin ich schon lieber draußen.«
»Trotzdem.«
Drinnen auf dem Femmans Torg standen Leute in Gruppen beisammen. Zwei Polizisten überquerten den offenen Platz und blieben vor einem Gitarristen stehen, der aber nicht aufhörte zu spielen, nur weil zwei Polizisten vor ihm standen. Er begann zu singen. Einem der Polizisten, dem Älteren, schien der Rhythmus zu gefallen. Der Sänger sang lauter.
»Der scheint Schmerzen zu haben«, sagte Patrik.
»Das muss so klingen«, sagte Maria. »Das ist irgendwas aus Spanien. So was wie Flamengo.«
»Flamenco. Es heißt Flamenco.«
»Ich dachte, du weißt nicht, was das ist.«
»Aber es klingt, als würde ihm was wehtun.«
»Stell dir vor, man könnte einfach verreisen.«
»»Last-Minute zu den Kanarischen Inseln.«
»Bist du da noch nie gewesen?«
»Wir waren da, die ganze... Familie, bevor meine Mutter ausgezogen ist.«
»Wie war es?«
»Als meine Mutter ausgezogen ist? Das ist jetzt doch scheißegal.« »Ich meine auf den Kanarischen Inseln.«
Patrik stand still da und sah den Typ mit der Gitarre an, der ein neues Stück angefangen hatte. Es klang genau wie das vorherige.
Er könnte sagen, dass er sich an einen Pool erinnerte, dass er von einer kleinen Steinbank hineingetaucht war, neben der eine Palme stand, und dass sie nur die Treppe von dem Balkon ihres Apartments runterzugehen brauchten, um zum Pool zu gelangen. Seine kleine Schwester hatte Schwimmflügel angehabt, und seine Mutter war von der Seite in das blaue Wasser gestiegen und hatte gelacht. Er war den ganzen Tag getaucht, und nachmittags hatten sie Bingo gespielt. Er war auch im Dunkeln getaucht und hatte seinen Eltern, die mit der Schwester an einem Tisch saßen, ein Kunststück
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