Das vertauschte Gesicht
cecaesmmo39.
Ihm fehlte das Gefühl von Plastik in der Hand. Die Scheine waren neu und steif in der Innentasche von Sakko Nummer zwei. Er sah sich um, als er die Bank verließ, entschlossen, Menschenansammlungen zu meiden.
Obwohl mittlerweile November, war die Wärme unverändert. Salvador im La Luna hatte heute Morgen die Arme ausgebreitet und etwas über el cielo azul gesagt. Den blauen Himmel, dem ewigen, über einem Volk, das auf Kühle wartete.
Winter stand auf der Hauptstraße Avenida Ricardo Soriano vor der Bank. Er hatte plötzlich Hunger, mehr als er jemals gehabt hatte, seit er angekommen war. Er ging nach rechts und sah Alicia, die aus der anderen Richtung kam. Sie war allein. Vielleicht war sie es, die stehen blieb und ihn ansprach:
»Hat sich die Sache mit dem Geld geregelt, Kommissar?«
»Ich habe grad neues dort drinnen abgeholt«, sagte er und zeigte auf die Fenster der Bank.
»Dann ist es ja gut.«
»Das macht alles leichter.«
»Si.«
»Jetzt kann ich es mir leisten, etwas zu essen.« Sie blieb stehen, schaute jedoch auf ihre Armbanduhr. »Ich will Sie nicht aufhalten«, sagte Winter. »Ich hab jetzt Feierabend«, sagte sie.
»Aha.« Winter scharrte ein wenig mit den Füßen. »Ich werde jetzt wohl etwas essen, bevor ich ins Krankenhaus fahre.«
»Sind Sie etwa auch verletzt worden, Kommissar?«
»Nennen Sie mich Erik. Nein, mein Vater ist schwer krank. Darum bin ich hier.«
»Das tut mir Leid.« Sie sah aus, als würde sie es auch so meinen. Heute trug sie einen schwarzen Rock und eine braune dünne Bluse, die trotz der Farbe die Wärme abzuhalten schien. Winter hatte bemerkt, dass spanische Frauen die Wärme auf eine andere Art zu erleben schienen als die Männer, die sich prustend durch den Tag schleppten. Die Frauen schienen besser damit fertig zu werden.
»Hoffentlich wird alles wieder gut.« In diesem Moment schien ihr etwas einzufallen, und sie drehte sich in die Richtung um, aus der sie gekommen war, sah ihn wieder an.
»Haben Sie eine bestimmte Idee, wo Sie essen wollen?«
»Nein... ich wollte in Richtung Altstadt gehen. Ich hab noch nicht viel von Marbella gesehen, von der Stadt selber.«
Alicia sah wieder auf die Uhr.
»Ja... dann, also«, sagte Winter und wollte gehen.
»Ich kenne ein gutes kleines Restaurant nur hundert Meter entfernt von hier. Wenn Sie wollen, zeige ich es Ihnen.«
»Haben Sie denn selbst schon was gegessen?«
»Nein, noch nicht. Ich esse tagsüber nur einen Sandwich.«
»Leisten Sie mir doch Gesellschaft, wenn Sie mir schon das Lokal zeigen«, sagte Winter.
Es lag in der Calle Tetuän und hieß Sol y Sombra und war auf Fisch und Schalentiere spezialisiert. Draußen unter den Sonnenschirmen standen ein paar Tische, und drinnen war ein großer Raum, der kühl wirkte, mit weiß gedeckten Tischen, die großen Fenster zu der kleinen Fußgängerzone waren geöffnet.
»Wie gefällt es Ihnen?«, fragte Alicia.
Winter sah einen Glastresen mit Fisch, Meereskrebsen und Langusten auf Eis. Dahinter stand ein Mann mit schwarzen zurückgekämmten glänzenden Haaren und weißer Jacke, er wirkte stolz. An einem der Tische im Lokal lagerte eine spanische Gesellschaft. Ein Paar saß draußen. Ihm war gerade eine Flasche Wein gebracht worden, die schnell beschlug. Auch unter dem Sonnenschutz sah es warm aus.
»Es ist nett hier. Ich könnte mir vorstellen, drinnen zu sitzen. Was meinen Sie? Essen Sie mit mir?«
»Okay.«
Sie setzten sich, und der Mann hinter dem Tresen kam mit der Speisekarte heran und einem Krug voll Eiswasser.
»Bestellen Sie doch bitte etwas für uns.«
»Haben Sie großen Hunger?«
»Ziemlichen.«
»Vorspeise und Hauptspeise?«
»Ja... oder lauter verschiedene Vorspeisen.«
»Wein?«
»Ein Glas vielleicht.«
Alicia bestellte, und sie bekamen sofort eine kleine Karaffe Wein, einen Korb mit grobem Brot und große grüne Oliven. Winter schenkte ein. Der Wein schmeckte nach Erde und Sonne.
»Arbeiten Sie ganztags als Übersetzerin?«
»Nur vorübergehend. Eigentlich bin ich Lehrerin am Gymnasium, tja, aber letztes Jahr hatte ich den Job satt, und da hab ich diese Stelle angenommen.«
»Wohnen Sie hier?«
»In Marbella? Nein, leider. Aber Sie werden mein Bedauern kaum verstehen, wo Sie doch gerade bestohlen worden sind.«
»Abgesehen davon scheint es ja eine... nette Stadt zu sein.
Nicht so viele Touristen. Aber jetzt ist ja auch keine Hochsaison.«
»In der Hochsaison ist es auch ganz nett hier. Im Unterschied zu meinem
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