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Das vertauschte Gesicht

Das vertauschte Gesicht

Titel: Das vertauschte Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ake Edwardson
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sich auf den Besucherstuhl. Winter trug ein kurzärmeliges Hemd und Hosenträger. Den Schlips hatte er über das Sakko gelegt, das an einem Bügel neben dem Waschbecken hing. Seine Haare waren noch kürzer als früher. Er war dünner und sein Gesicht schmaler, als sie es in Erinnerung hatte, es hatte schärfere Konturen, wurde aber ein wenig weicher durch die leicht gebogene Brille. »Du hast ja eine Brille.«
    »Lesebrille. Wir werden alle älter.«
    »Hübsch. Das ist doch keine Armani?«
    »Eh... nein, es... « Er nahm die Brille ab und schaute auf die Innenseite der Bügel. »Air Titanium.« Er sah sie an. »Interessierst du dich besonders dafür?«
    »Für Brillenbügel?« Sie lachte kurz. »Nein, solche Hobbys kann ich mir zeitlich nicht leisten.«
    Er legte die Brille auf den Schreibtisch, und sie wartete darauf, dass er etwas sagte.
    »Wie geht's dir sonst?«
    »Sonst? Wie meinst du das? Wenn ich mich nicht in diesem Haus aufhalte?« Sie schlug die Beine übereinander. »Das ist eine gute Frage.«
    »Ja...«
    »Du willst vermutlich wissen, wie es mit meiner Tochter steht.«
    »Wie kommst du darauf?« »Aber das weißt du doch.« »Was weiß ich, Hanne?«
    »Ach, hör auf, Erik. Hier im Präsidium wird sich doch herumgesprochen haben, dass ein paar Kollegen von dir meine Tochter betrunken aufgegriffen haben. Das Verbrechen heißt wohl Trunkenheit?«
    »Jetzt hör aber auf, Hanne. Ja: Ich weiß es. Und nein: Deswegen wollte ich nicht mit dir reden.«
    »Das kannst du aber gern.«
    »Wie bitte?«
    »Du darfst gern fragen, wie es mir geht... danach.« »Wie geht es dir?«
    »Schon besser.« Sie lächelte. »Maria hat sich seitdem gut gehalten.« Es klang, als ob sie seufzte. »Soweit ich weiß, jedenfalls.«
    »Das war ihr wahrscheinlich eine Lehre.« Er setzte sich die Brille wieder auf. »Kann ja jedem mal passieren.«
    »Ja. Wir sind arme, sündige Menschen. Ich versuche es dem Jugendamt zu erklären«, sagte sie.
    »Dem Jugendamt?«
    »Wenn so was passiert ist, gibt es immer eine Ermittlung.« »Das ist doch nur eine Formalität.« »Man merkt, dass du keine Kinder hast.« »Noch nicht.«
    »Ja, ich hab's gehört. Freut mich. Gratuliere. Und grüß Angela.«
    »Danke. Aber du musst es wirklich so sehen... wie eine Formalität.«
    »Wenn es nur nicht wieder passiert.« Winter wusste nicht, was er darauf antworten sollte. »Es gibt ja wohl keine Garantie dafür, dass es nicht wieder passiert, oder?«, sagte sie. »Tja... «
    »Ich müsste es sein, ich müsste die Garantie sein. Aber offenbar hab ich versagt.« »Das ist ein Scheißgerede, entschuldige den Ausdruck , Hanne. Ein Scheißgerede.« »Ich hoffe es.« »Es gibt Gegenbeispiele.« »Was meinst du?«
    »Maria hat einen... Freund, der heißt Patrik, so viel ich weiß.« »Ja... woher weißt du das?«
    »Ich hab es von den Kollegen erfahren, die Maria getroffen haben. Das ist nichts Besonderes. Sie sind ständig im Zentrum unterwegs. Aber hier geht es um Patrik, mit dem haben wir gesprochen, weil er Zeitungen in dem Haus austrägt, wo der Mord passiert ist. Du hast wahrscheinlich einiges darüber in der Presse gelesen.«
    Sie nickte.
    »Hat Patrik irgendwas gesehen?« »Ich weiß es noch nicht.« »Aber er war dort?«
    »Er hat Zeitungen in dem Haus ausgetragen, ja. Aber was ich sagen wollte, ist, dass es ihm auf andere Weise schlecht geht. Er war hier mit einem Veilchen, und ich hab ihn ins Sahlgrenska bringen lassen.«
    »Was ist passiert?«
    »Ich glaube, er hat zu Hause Prügel bezogen.«
    »Das könnte sein«, sagte sie und sah ihn ernst an.
    »Ist dir schon mal so was... aufgefallen?«
    »Nicht direkt, außer, dass er etwas... zerzaust ausgesehen hat, wenn er bei uns... bei Maria war. Das ist aber nicht oft vorgekommen.«
    »Hat er dir nichts erzählt?«
    »Nein. Nicht mal indirekt, aber ich hab mir schon Gedanken gemacht.«
    »Sein Vater misshandelt ihn. Ich kann es im Augenblick nicht beweisen, aber es ist so.«
    »Was willst du unternehmen?«
    »Mal sehen. Patrik muss sich entscheiden, was er tun will.«
    »Das ist ja furchtbar.«
    »Ich muss etwas nachhelfen.«
    Winter stand auf und ging zur Musikanlage. »Ich möchte, dass du dir das mal anhörst.« Er stellte Sacrament an. Die Musik war ihm jetzt vertraut. Eine schwindelnde Sekunde lang schien es ihm so, als könnte er eine Melodie hören, wie einen schwebenden Ganzton in einem Zementmischer. Wie Coltranes Meditationen.
    Hanne Östergaard lauschte, ohne die Augen aufzureißen. Sie hat

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