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Das vertauschte Gesicht

Das vertauschte Gesicht

Titel: Das vertauschte Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ake Edwardson
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Ton gesagt, der ihn ganz kalt werden ließ im Kopf, wo die Musik sich hob und senkte. Er fragte sich, ob sie es sahen, ob sie es schließlich auch hören konnten, vielleicht genau in dem Augenblick, als es passierte.
    Die Gitarren dröhnten in seinem Kopf. Die Stimme schrie, rasselte, fauchte mitten in der Musik, die ihn nicht verließ:
    Lying in the black field, memories Start to move into my mind, visions of the red room, my bloodied face, bloodied head.
    Visionen vom roten Zimmer. Er schloss die Augen. Die Erregung wurde stärker. Sie sah es und lächelte. Sie wusste nichts. Der andere schien sich unruhig zu bewegen, begann sich aber langsam aufzulösen, wurde ein Schatten. Als er sie anschaute, wurde auch sie ein Schatten. Es war Zeit.
    Sie sagte etwas.
    »Wie bitte?«
    »Hallo! Jemand zu Hause?« »Was... ja...«
    »Du scheinst sehr weit weg zu sein.« »Nein... ich bin hier.«
    »Du hast den Kopf geneigt, als hörtest du irgendwo zu. Drinnen im Kopf.«
    »Ja.«
    »Vielleicht dürfen wir es auch hören«, sagte sie und grinste. Der andere lachte nicht. Er sah ihn direkt an, als sähe er die, die in seinem Kopf spielten. »Wie klingt es?«, fragte sie, stand auf und lehnte sich an sein Ohr. Er spürte ihr Gewicht und roch Schnaps in ihrem Atem. Sie hatten getrunken, bevor er kam. Er hatte nicht getrunken. Nicht damals und nicht jetzt. »Ich hör nichts«, sagte sie und lehnte sich noch schwerer gegen ihn, dann küsste sie ihn. Er spürte sie drinnen in seinem Mund. Er rührte sich nicht. »Was ist mit dir?«, fragte sie. »Bist du nicht scharf?« Sie drehte sich zu dem anderen um. »Er scheint nicht scharf zu sein. Ich dachte, er wäre ein Swinger.«
    Der andere sagte nichts. Er sah ihn immer noch forschend an. Vielleicht bedeutete das nichts.
    Sie verließ die Küche, blieb ein Weilchen weg und kam wieder. Aus einem anderen Zimmer ertönte Musik. Er wollte sie nicht ansehen. Er sah ein Stück ihrer Haut.
    »Wie gefällt sie dir?«, fragte sie.
    »Was? Was?«
    »Die Musik«, sagte sie. »Die Musik! Ich dachte, wir sollten sie alle hören.«
    Er versuchte zuzuhören, hörte aber nichts, das das Metall durchdringen konnte, das in seinem Schädel schrillte.
    Sie rief etwas, bewegte sich wie im Tanz.
    Sie riss den anderen hoch, zerrte an ihm, küsste ihn. Schielte in seine Richtung. Sie begann, das Hemd des anderen aufzuknöpfen und legte seine Hand auf ihre linke Brust. Bewegte sich zur Musik. Lachte wieder.
    »Elton John!«, schrie sie. »Das swingt!«
    Plötzlich wurde ihm schlecht, und gleichzeitig war er entsetzlich erregt. Jetzt sahen sie ihn an, beide. Der andere nickte ihm zu, während er die Hand in ihrer Bluse hatte.
    Sie machten zwei oder drei Tanzschritte vor ihm. Er erhob sich.

5
    Winter nahm seinen Koffer vom Laufband und ging durch den Zoll hinaus zum Mietwagen. Er zog seine Jacke aus und setzte sich hinters Steuer. Das Auto hatte im Schatten vorm Flugplatz gestanden. Im Flugzeug hatte der Kapitän die Temperatur in Malaga mitgeteilt, das dreitausend Meter unter ihnen an der Meeresküste wie graue Klippen aus einer verbrannten Erde aufragte. 32 Grad im Schatten, die Hitze über Andalusien gab sich noch nicht geschlagen. Er war noch nie hier gewesen.
    Winter war müde, und in seinem Kopf pochte es leicht. Er startete das Auto. Er spürte große Trauer, die von der Hitze noch verstärkt wurde. Als ob die Hitze ein Vorbote wäre.
    Winter breitete die Landkarte der Sonnenküste aus, die er von der Autovermietung bekommen hatte, und überprüfte die Wegbeschreibung nach Marbella. Es sollte nicht schwer sein, hinzufinden, immer die E15 entlang. Die Autobahn hatte den Ruf, die gefährlichste der Welt zu sein, aber das hat man über andere Autobahnen auch schon gehört, dachte er und fuhr rückwärts aus der Parklücke.
    Er fuhr nach Westen und stellte das Radio an. Ein Spanier sang in lispelndem Kastilisch eine Version von My Way. Darauf folgte ein instrumentaler Flamenco, der in Winters Ohren fröhlich und falsch klang. Der Flamenco wurde zu einer mexikanischen Rumba mit zehntausend Trompeten. Dann kam der Spanier wieder mit Green, green grass of home.
    Das Gras draußen war trocken und schien tot zu sein, fast farblos.
    Er fuhr durch die Vororte. Die Hochhäuser waren schwarz unter der Sonne, der Beton bunt gefleckt von den Wäschestücken, die aus schiefen Fenstern hingen. Die kleinen Gassen zwischen den Häusern waren leer, abgesehen von kleinen Gruppen verwilderter Hunde, die einander zwischen

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