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Das verwundete Land - Covenant 04

Das verwundete Land - Covenant 04

Titel: Das verwundete Land - Covenant 04 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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sich jetzt gerne mit solchen Nebensächlichkeiten befaßt. Sie mochte dem blutigen Ritual der Sonnenseherin nicht zuschauen, wollte nicht dem Scheitern ihrer Bemühungen zusehen müssen. Dennoch heftete sie ihren Blick auf das Messer, zwang sich dazu, es nicht mehr aus den Augen zu lassen.
    Hollians rechte Handfläche war – wie Sunders linker Unterarm – mit alten Narben übersät. Sie zog die Klinge durchs Fleisch. Ein Rinnsal von tiefdunklem Blut rann an ihrem nackten Handgelenk hinab. Indem sie den Dolch beiseite legte, nahm sie den Lianar in die blutige Hand. Ihre Lippen bewegten sich, blieben jedoch stumm. Rund um ihren Stab schien sich die Atmosphäre zu verdichten. Unvermittelt leckten Flammen am Holz entlang. Feuer in der Färbung, die die Aura der Sonne besaß, umzüngelte ihre Finger. Ihre bislang lautlosen Äußerungen steigerten sich nun zu hörbarem Gesang; die Sprache, deren sie sich bediente, war Linden fremd. Das Feuer loderte stärker; es erfaßte Hollians ganze Hand, begann das Blut an ihrem Handgelenk zu verzehren. Während sie sang, entsprangen dem Feuer lange, dünne Ausläufer, die Luftwurzeln ähnelten. Sie dehnten sich durch den Sand aus, verliefen längs des Wassers, als seien sie mit Blut gefüllte Adern des Stroms, liefen die Böschung hinauf, als suchten sie einen geeigneten Platz, um sich im Erdreich festzusetzen. Inmitten eines Netzwerks aus schimmernden energetischen Bahnen verlieh Hollian ihrem Gesang erhöhten Nachdruck, senkte zuletzt den Lianar auf Covenants vom Gift geschwollenen Arm. Unwillkürlich schrak Linden zurück. Sie konnte das Schlechte in dem Feuer spüren, die widernatürliche Kraft des Sonnenübels. Hollian griff auf eben jene Kraftquellen zurück wie Sunder mit seinem Sonnenstein. Einen Moment später vermochte Linden jedoch zu differenzieren; der Effekt des Feuers als solcher war nicht von übler Natur. Hollian bekämpfte Gift mit Gegengift. Als sie den Stab von Covenants Arm entfernte, hatte der Umfang der Schwellung bereits in sichtlichem Maß abgenommen. Sachte richtete sie nunmehr die Energie auf seine Stirn, legte ans Fieber in seinem Schädel Feuer.
    In dieser Sekunde verkrampfte sich sein Körper zu harter Starre, er warf den Kopf in den Nacken; ein Schrei entrang sich seiner Kehle. Im selben Augenblick schleuderte eine weißliche Detonation, die aus seinem Ring schoß, Sand auf die beiden Frauen und ins Wasser. Ehe Linden irgendwie reagieren konnte, erschlaffte er vollständig.
    Die Sonnenseherin sank an seiner Seite zusammen. Die Flammen an ihrem Lianar erloschen; das Holz war unversehrt, unverändert hell und sauber. Binnen eines Augenblicks verschwanden auch die energetischen Bahnen, und nur gespinsthafte Nachbilder flimmerten noch durch Lindens Sicht. Sie stürzte zu Covenant, um ihn zu untersuchen. Die Anspannung raubte ihr schier den Atem. Doch kaum berührte sie ihn, da holte er tief Luft, fing an zu atmen, als schliefe er lediglich. Sie tastete nach seinem Puls; er schlug mit normaler Festigkeit und regelmäßig. Erleichterung durchströmte Linden. Der Mithil und die Sonne wirkten auf einmal merkwürdig verschwommen. Plötzlich gewahrte sie, daß sie der Länge nach im Sand lag, ohne daß sie ihr Niedersacken bemerkt hätte. Ihre linke Hand ruhte im Wasser. Dessen Kühle schien das einzige zu sein, was sie am Weinen hinderte.
    »Ist er wohlauf?« fragte Hollian mit schwacher Stimme nach. Linden antwortete nicht; ihr fehlten schlichtweg die Worte.
    Etwas später kam Sunder wieder, die Hände voller Schatzbeeren. Die Erschöpfung der zwei Frauen war ihm anscheinend auf den ersten Blick verständlich. Ohne ein Wort beugte er sich über Linden und schob ihr eine Beere zwischen die Lippen. Die Köstlichkeit und Nahrhaftigkeit der Frucht brachten Linden wieder einigermaßen zu Kräften. Sie setzte sich auf, schätzte die Anzahl der von Sunder gepflückten Beeren und nahm sich selber ihren Teil. Die Beeren, so hatte es den Anschein, stellten einen Bestandteil ihres Inneren wieder her, der durch ihre Anstrengungen, mit denen sie Covenant im Laufe der Nacht am Leben gehalten hatte, über Gebühr beansprucht worden war. Während ihre Körperkräfte wiederkehrten, brachte sie Covenant in eine halb sitzende Haltung, entsteinte dann Beeren und fütterte ihn damit. Die Wirkung trat beinahe unverzüglich ein; seine Atmung wurde regelmäßig, sein Muskeltonus festigte sich, seine Haut nahm eine gesündere Farbe an. Anschließend kümmerte Linden sich ebenso

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