Das verwundete Land - Covenant 04
zielbewußt um Hollian. Die Anstrengung der Covenant von ihr geleisteten Hilfe hatte die Sonnenseherin in reichlich beeinträchtigte Verfassung gebracht. Hollians Blick forschte nach Ausweichmöglichkeiten, als Linden mit den Beeren kam, aber es gab keine. Mit einem Schaudern der Kurzentschlossenheit nahm Hollian eine Beere, steckte sie in den Mund. Nach einem Moment des Zögerns biß sie darauf.
Die eigene Freude an diesem Genuß verblüffte sie sichtlich. In ihren Augen leuchtete es wie von einer Offenbarung, und sie streifte die Furcht ab wie einen verschlissenen alten Mantel.
Mit einem lautlosen Seufzer bettete Linden Covenants Kopf in den Sand und streckte sich selbst zum Ausruhen hin.
Das Grüppchen blieb für einen Großteil des Vormittags auf der Sandbank und gönnte sich Erholung. Zu guter Letzt, als Covenants Schwellung sich von Schwarz zu fleckigem Gelb-blau-rot verfärbt hatte und aus der Schulter gewichen war, beurteilte Linden ihn als zur Fortsetzung der Reise imstande. Von neuem fuhren sie mit dem Floß auf den Mithil hinaus.
Der Voure schützte sie auch weiterhin vor Insekten. Hollian versicherte, die Wirkung des Safts werde für mehrere Tage anhalten; und Linden begann ihr zu glauben, als sie feststellte, daß der Geruch ihr nach einem halben Tag – teils auf dem Wasser, teils darin zugebracht – noch immer anhaftete.
Im unheimlichen Rot des Sonnenuntergangs hielten sie an einem breiten felsigen Abhang, der nordwärts aus dem Fluß aufragte. Nach der Mühsal der vergangenen Tage fiel die Unbequemlichkeit, auf Stein schlafen zu müssen, so gut wie gar nicht auf. Ein Teil ihres Innern blieb in ständigem Kontakt mit Covenant, so wie eine Saite, die so gespannt war, daß sie bei einem bestimmten Ton mitschwang. Mitten in der Nacht merkte sie plötzlich, daß sie hinauf zur scharf umrissenen Sichel des Mondes starrte. Covenant hatte sich neben ihr aufgesetzt. Er schien sie nicht zu beachten. Still ging er ans Wasser, um zu trinken. Linden folgte ihm, weil sie sich sorgte, er könne womöglich einen Rückfall ins Delirium erlitten haben. Doch sobald er sie sah, erkannte er sie und nickte ihr zu, zog sie dann ein Stückchen weit zur Seite, an eine Stelle, wo sie sich zumindest im Flüsterton unterhalten konnten, ohne ihre Begleiter zu stören. Die Weise, wie er seinen Arm bewegte, zeigte an, daß das Glied zwar noch empfindlich war, sich aber wieder gebrauchen ließ. Im schwachen Mondschein blieb sein Gesicht unkenntlich; seine Stimme jedoch bezeugte geistige Klarheit.
»Wer ist die Frau?«
Linden stand dicht bei ihm, betrachtete den Schattenriß seiner Gestalt. »Du erinnerst dich nicht?«
»Ich erinnere mich an Bienen.« Flüchtig schauderte es ihm. »Den Wütrich. Sonst nichts.«
Die Mühe, die es Linden gekostet hatte, sein Leben zu bewahren, hatte irgendwie ihre sämtlichen Vorbehalte gegen ihn zunichte gemacht. Sie hatte an seinen Qualen Anteil genommen; und nun hatte sie den Eindruck, daß er einen gewissen Einfluß auf sie besaß, dem sie sich nie mehr würde entziehen können. Selbst ihr Herzschlag gehörte ihm. »Du hast einen Rückfall gehabt.«
»Einen Rückfall ...?« Er versuchte, seinen noch schmerzenden Arm zu spannen.
»Du bist von Bienen gestochen worden und in einen Schockzustand geraten. Die Wirkung war wie ein neuer Schlangenbiß an der gleichen Stelle, nur schlimmer. Ich dachte ...« Unwillkürlich berührte sie seine Schulter. »Ich dachte, du würdest es nicht mehr schaffen.«
»Wann war das?«
»Vor eineinhalb Tagen.«
»Und wie ...?« begann er, überlegte es sich jedoch anders. »Und dann?«
»Sunder und ich haben nichts für dich tun können. Wir sind einfach weitergefahren.« Sie fing schneller zu sprechen an. »In der letzten Nacht sind wir zu einem anderen Steinhausen gelangt.« Linden erzählte ihm das Vorgefallene, als habe sie es eilig, das Erzählen zu beenden. Aber als sie versuchte, ihm die energetische Aktivität seines Rings zu schildern, unterbrach er sie.
»Das ist unmöglich«, behauptete er unterdrückt.
»Du entsinnst dich an überhaupt nichts?«
»Gar nichts. Aber es ist ausgeschlossen, ich sag's dir. Ich habe immer ... immer irgendeinen Auslöser dafür benötigt. Die Unterstützung eines anderen Faktors. Wie den Orkrest . Es passiert nie von selber. Niemals.«
»Vielleicht lag's an dem Gefolgsmann.«
»Ja.« Er griff nur zu froh auf diese Überlegung zurück. »Das muß es gewesen sein. Sein Zepter ... der Rukh .« Er wiederholte die
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