Das verwundete Land - Covenant 04
Hollian die Wahrheit sprach. In Andelain verbarg sich Unheimliches. Aber Covenants Forderung überwog selbst jede deutliche Erwartung von Gefahr. Mit der Intimität einer Liebenden hatte Linden darum gerungen, sein Leben zu retten. Der Preis dieser Intimität war ihr unerträglich; aber sie konnte andere Dinge für ihn tun. Sie drehte sich nach den beiden Steinhausenern um. »Sunder?«
Der Steinmeister spähte den Fluß hinunter, blickte dann Hollian an, bevor er Linden antwortete. »Die Sonnenseherin entstammt einem Steinhausen, so wie ich«, sagte er. »Ich glaube ihrer Besorgnis. Aber mein Los liegt nun in der Hand des Ur-Lords. Ich werde ihn begleiten.«
Linden nahm seine Entscheidung bloß mit einem Nicken zur Kenntnis. »Hollian?«
Die Sonnenseherin wirkte, als überfordere sie die Wahl, vor die man sie stellte. Ihr Blick wanderte über den Stein, wie um in ihm Anworten zu entdecken, die er unmöglich enthalten konnte. »Kommt's denn nun dahin?« murmelte sie bitter. »Bin ich aus einer Gefahr befreit worden, nur um in eine andere Gefahr gebracht zu werden?« Langsam jedoch kehrte in ihr etwas von jener inneren Stärke wieder, die sie dazu befähigt hatte, sich gegen Croft und Sivit mit Entschiedenheit aufzulehnen. »In der Predigt heißt es unanzweifelbar, daß Halbhand ein Diener a-Jeroths ist.«
»Die Predigt ist falsch«, erklärte Linden unverblümt.
»Das kann nicht sein!« Hollians Furcht ließ sich fast mit Händen greifen. »Wäre die Predigt falsch, wie könnte sie dann zur Bewahrung von Leben beitragen?«
Unerwartet mischte sich Sunder ein. »Sonnenseherin, Linden Avery spricht von einem gänzlich andersartigen Falsch.« Seine Stimme klang gepreßt, als sei er unvorbereitet und ohne Vorwarnung innerlich an einem kritischen Punkt angelangt. »Für ihn ist alles falsch, was auf das Sonnenübel zurückgeht.« Hollian starrte ihn an. Auch Linden musterte ihn aufmerksam. Es drängte sie danach, die Flußfahrt fortzusetzen; doch die Bemühungen des Steinmeisters, mit den eigenen Empfindungen zurechtzukommen, veranlaßte sie zum Schweigen. »Sonnenseherin«, begann Sunder durch zusammengebissene Zähne von neuem, »ich gestehe, ich bin dir mit Abneigung begegnet. Deine Gegenwart gleicht für mich einer Anklage. Du bist eine Steinhausenerin. Du verstehst, was es bedeutet, wenn ein Steinmeister sich von seinem Heimatort abkehrt. Ob du's willst oder nicht, du klagst mich an. Dein Schicksal ist für mich im Vergleich zu meinem gar beneidenswert. Du bist, wie deine Lage auch sein mag, ohne Schuld. Wohin du deine Schritte von dieser Stätte aus auch lenkst, niemand wird Vorwürfe wider dich erheben können. All meine Wege dagegen sind Wege der Schuld. Meine Rechtfertigung war's, daß meine Mithilfe für den Ur-Lord, für Linden Avery und ihre Absichten vonnöten ist. Die Gesichte des Ur-Lords haben an mein Herz gerührt, und ihr Fortbestehen lag in meinen Händen. Ohne meinen Beistand wären diese beiden längst tot, und mit ihnen wäre das einzige reine Wort der Schönheit vergangen, das ich je in meinem Leben vernommen habe. Magst du's beabsichtigen oder nicht, du beraubst mich meiner Notwendigkeit und damit meiner Rechtfertigung. Deine Kenntnisse des Sonnenübels und der Gefahren, die vor uns liegen, übersteigen ohne Zweifel mein Wissen bei weitem. Du kannst heilen, wenn ich es nicht vermag. Du brauchst kein fremdes Blut zu vergießen. In deiner Gegenwart kann ich gegen meine Schuld nichts mehr geltend machen.«
»Sunder«, sagte Hollian leise. »Steinmeister ... Diese Selbstbezichtigungen führen zu nichts. Vergangenes läßt sich nicht rückgängig machen. Dein vergangenes Geschick kann nicht mehr von dir genommen werden.«
»Alles ist im Wandel begriffen«, erwiderte er bedrückt. »Ur-Lord Covenant verändert die Vergangenheit, wohin immer er geht. Und deshalb ...« – er unterbrach Hollians Widerspruch – »habe ich keine Wahl. Ich könnte es nicht ertragen, sollte dieser Wandel am Ende zunichte werden. Aber du besitzt eine Wahl. Und weil du noch die Freiheit der Wahl hast, Sonnenseherin, beschwöre ich dich – stelle dich in den Dienst des Ur-Lords. Vieles ist's, was er bieten kann – und er bedarf des Beistands sehr. Die Unterstützung, die du ihm zu gewähren vermagst, ist größer als die Hilfe, die ich ihm geben kann.«
Hollians Blick erforschte ihn, während er sprach. Doch sie fand auf ihre Furcht keine Antwort. »Ach«, seufzte sie verbittert, »ich sehe keinerlei Wahl. Tod liegt
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