Das verwundete Land - Covenant 04
gegenübergestellte Antithesen empor. Die Anhöhen zur Rechten waren felsig und kahl – eine Ödnis, vergleichbar mit der Wüstenei, wie sie unter der Sonne der Dürre zu liegen pflegte. Linden sah ihnen sofort an, daß sie immer leblos waren, keine Sonne der Fruchtbarkeit jemals ihre Zerklüftung mit Grün linderte. Irgendein altes, geballtes Unheil hatte ihre Fähigkeit, Leben hervorzubringen, bereits vor langem zerstört, schon bevor je die Strahlen des Sonnenübels auf sie fielen. Die Hügel links allerdings bildeten dazu einen direkten Gegensatz. Die Kraftfülle, mit der sie sich Lindens Sinnen bemerkbar machten, wirkte auf ihre Nerven nachgerade wie ein Schock.
Nördlich des Mithil erstreckte sich eine üppige Region, die unangetastet war von allen Belastungen und Übeln. Die Haine aus Güldenblatt und Ulmen, die ihre Randzonen krönten, waren von natürlich hohem Wuchs und lebendiger Gesundheit; nie hatte eine Sonne der Fruchtbarkeit ihr Wachstum angestachelt, keine Sonne der Seuchen ihr starkes Holz und ihren reinen Saft mit Moder erfüllt. Das Gras, das vom Ufer aufwärts in ausgedehnten grünen Flächen gedieh und wogte, war reichhaltig durchwachsen mit Aliantha , Butterblumen und Ritterstern. Eine mit vielerlei wohltuenden Düften angereicherte Luft wehte von diesen Hügeln herab, die für immer von Saft und Kraft und Unberührtheit strotzten.
Die Grenze zwischen dieser Region und dem übrigen Terrain war so deutlich wie ein durchs Erdreich gezogener Strich; an dieser Demarkationslinie endete der Einfluß des Sonnenübels und begann Schönheit. Eine alte Eiche stand am Ufer wie ein Wahrzeichen und Wächter der Hügel, knorrig und melancholisch, trug lange Stränge von Zaunrüben wie einen Mantel der Macht – eine ergraute Majestät, unbeeinträchtigt durch Dürre oder Fäule. Sie wies ab und hieß gleichzeitig willkommen, ganz nach dem Geist jener, die sich nahten.
»Andelain«, flüsterte Covenant mit schwerfälliger Stimme vor sich hin, als wolle er singen und könne nicht die Kehle freibekommen. »Ach, Andelain.«
Hollian dagegen betrachtete diese Hügel mit durch nichts gemildertem Grausen. Sunder spähte finster hinüber, als ob sie für ihn eine Drohung verkörperten, die er nicht genau identifizieren konnte.
Auch Linden war nicht danach zumute, Covenants Freude zu teilen. Andelain kam ihr vor wie im Lande begrabener Aliantha -Geschmack. Es enthüllte sich ihrem besonderen Wahrnehmungsvermögen mit einer Eindringlichkeit, die ans Visionäre grenzte. Sie empfand den Landstrich wie das Risiko, das mit einer Droge verbunden war, die heilen oder töten mochte, je nach der Kunstfertigkeit des Arztes, der sich ihrer bediente. Furcht und Verlangen rissen sie innerlich hin und her. Sie hatte das Sonnenübel als zu persönlichen Affront aufgefaßt, sich selbst in Covenant zu weit entblößt. Sie sehnte sich nach Schönheit, als ob ihre Seele danach hungere. Doch Hollians Besorgnis war von überzeugender Stärke. Andelains Emanationen fühlten sich in Lindens Gesicht an wie böse Prophezeiungen. Intuitiv erkannte sie, daß die Hügel dieser Region sie genauso ihrer selbst berauben konnten wie irgendein Übel. Sie verfügte über keinerlei Möglichkeiten, um die Wirkungskraft dieser Droge zu beurteilen oder zu kontrollieren. Undenkbar, daß gewöhnliche Bäume und Gräser eine solche Machtfülle ausstrahlten! Schon jetzt war Linden, als sei sie in ein ununterbrochenes Ringen mit dem Wahnsinn verstrickt. Hollian hatte gesagt, Andelain könne Menschen um den Verstand bringen.
Nein, wiederholte Linden bei sich immer wieder. Nicht noch einmal. Bitte!
In stillschweigender Übereinkunft lagerten sie und ihre Begleiter sich für die Nacht zwischen den Landschaftstürmen gegenüber der Eiche. Ein sonderbarer Bann lag über ihnen, hüllte sie in Innerlichkeit. Covenant schaute wie bezaubert zum Leuchten all dieses Heilseins hinüber. Doch Hollians Ablehnung ließ nicht nach. Die Haltung von Sunders Schultern bezeugte Argwohn. Und Linden konnte ihre Sinne nicht vom Eindruck der Abgestorbenheit der südlichen Anhöhen befreien. Die Ödheit jener Gegend glich einem von Andelain geworfenen Schatten, einer Folgeerscheinung von Andelains Macht. Sie wirkte auf Linden, als bestätige sie, es sei gerechtfertigt, Andelain zu fürchten.
Am frühen Abend stach Hollian die Spitze ihres Dolches in die Handfläche und verwendete das Blut, um ihrem Lianar eine hellgrüne Flamme zu entlocken. Anschließend verkündete sie, am
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