Das verwundete Land - Covenant 04
verwandelten sich ganz in untröstlichen Schmerz. »Der Koloß ist niedergestürzt.«
Kein Morinmoss? Keine Wälder? Covenant unterdrückte seine Tränen. »Was willst du von mir? Ich werde alles tun.«
Der Forsthüter summte für eine Weile, ohne zu antworten. »Thomas Covenant«, meinte er dann, »hast du Andelain geschaut?«
»Ja.« Covenant rang um Fassung. »Ich hab's gesehen.«
»Andelain ist im gesamten Lande das letzte Bollwerk des Gesetzes. Mit all meiner Kraft halte ich hier aus und das Wesen Andelains unangetastet. Wenn ich am Ende scheitere – wie's unvermeidbar ist, denn in meinem Innersten bin ich noch Hile Troy, und der Tag wird kommen, an dem ich mich nicht länger weigern kann, meine Kräfte hinzugeben –, wird's für die Schwere des Verlusts, der daraus folgt, keinen Ausgleich haben. Die Welt wird in ihr letztes Zeitalter treten, und nichts vermag's abzuwenden.«
»Ich weiß.« Covenant sprach durch zusammengebissene Zähne. »Ich weiß.«
»Thomas Covenant«, sang der hochgewachsene Mann, »ich verlange von dir alles und nichts. Ich habe dich in dieser Nacht nicht zu mir geholt, um zu fordern, sondern um zu geben. Sieh!« Eine schwungvolle Geste mit seinem Stab verstreute Musik ins Gras; und da – durch die Klänge, als wären sie Inkarnationen von Liedgut – sah Covenant sie. In fahlem Silber, als bestünden sie aus Mondlicht – wenngleich der Mond gar keinen derartigen Schein abgab –, standen sie vor ihm. Caer-Caverals Verströmen von Silberglanz erhellte sie, als wären sie aus Forsthüter-Feuer erschaffen worden. Covenants Freunde.
Hoch-Lord Mhoram mit der weisen Heiter-Gelassenheit seiner Augen und der Verschmitztheit seines Lächelns.
Elena, Tochter Lenas und der Vergewaltigung, ebenfalls ein früherer Hoch-Lord, schön und leidenschaftlich. Covenants Kind; beinahe seine Geliebte.
Der Bluthüter Bannor, ganz Tüchtigkeit, Selbstsicherheit und Urteilskraft, die ihm niemals genommen werden konnten.
Salzherz Schaumfolger, der über die anderen aufragte, wie er auch alle Sterblichen an Größe übertraf, mit seinem Humor und seiner Reinheit des Geistes.
Covenant starrte sie durch die Musik an, als würden die Stränge zerfransen, die seine Seele zusammenhielten. Ein Stöhnen brach sich aus seiner Brust Bahn, und er trat mit ausgebreiteten Armen vor, um seine Freunde zu umarmen. »Halt!« Der Befehl des Forsthüters brachte Covenant zum Stehen, ehe er den Abstand überwinden konnte. Starre erfüllte all seine Muskeln. »Du mißverstehst.« Caer-Caverals Gesang klang nun freundlicher. »Du kannst sie nicht berühren, denn sie besitzen kein Fleisch. Sie sind Tote. Das Gesetz des Todes ist gebrochen worden und kann nicht wieder heilgemacht werden. Deine Gegenwart hat sie aus ihrem Schlaf gerufen, denn alle, die Andelain aufsuchen, begegnen hier ihren Toten.«
Kann nicht ...? Nach so langer Zeit? Tränen rannen Covenants Wangen hinab; doch als Caer-Caveral ihn wieder freigab, tat er keinen weiteren Schritt auf die Erscheinungen zu. »Du bringst mich um«, quetschte Covenant hervor, erstickte nahezu am Gram des Verlustgefühls. »Was wünscht ihr?«
»Ach, Geliebter«, antwortete Elena rasch mit ihrer klaren, unwiderstehlichen Stimme, an die er sich noch mit solchem Weh entsann, »dies ist keine Zeit der Trauer. Es bereitet unseren Herzen Freude, dich hier zu sehen. Wir sind nicht gekommen, um dir Schmerz zu verursachen, sondern um dich mit unserer Liebe zu segnen. Und um dir, soweit das Gesetz es erlaubt, Gaben zu reichen.«
»Das sind Worte der Wahrheit«, fügte Mhoram hinzu. »Freue auch du dich, denn niemand könnte die Freude leugnen, die uns deine Ankunft macht.«
»Mhoram«, schluchzte Covenant. »Elena. Bannor. Ach, Schaumfolger!«
»So erklärt's sich, daß die Menschen, die Andelain betreten, dem Wahnsinn verfallen.« Die Stimme des Forsthüters füllte sich mit dunklem Groll wie das Drohen von Donner. »Dieser Zustand darf nicht währen. Thomas Covenant, es ist gut, daß deine Gefährten dich nicht begleitet haben. Der Mann und die Frau müßten beim Anblick ihrer Toten zerbrechen. Und die Frau aus deiner Welt würde hier finstere Schatten werfen. Wir müssen dir unsere Gaben zukommen lassen, solange noch Geist und Mut vorhanden sind.«
»Gaben?« Covenants Stimme zitterte vor Verlangen. »Warum ...? Wie ...?« Er stak so voller Bedürfnisse, daß er sie gar nicht alle nennen konnte.
»Ach, mein Freund, vergib uns!« sagte Mhoram. »Wir dürfen keine Fragen
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