Das verwundete Land - Covenant 04
Covenant, daß er um jeden Preis überleben und Schwelgenstein aufsuchen mußte. Um auch den Rest des Weltübel-Steins zu vernichten. Damit all sein früheres Leid und Schaumfolgers Tod nicht umsonst gewesen wären.
»Mögen sie der Fäulnis anheimfallen!« schluchzte die Steinmeisterin völlig zerrüttet. »Mögen sie, da sie mich so beraubt haben, zu endlosen Martern verdammt werden! Aus der Tiefe meines Herzens und dem Abgrund meiner Qual verfluche ich sie!« Ihre Faust umklammerte den Griff des Messers wie einen Spieß. Sie riß die Waffe bis über den Kopf hoch. Unter der Sonne der Dürre glänzte die Klinge scharf und böse. Die Frau hatte Covenant vergessen; ihr Blick war nach innen gerichtet, schaute so etwas wie eine wüste Vision der Sonnengefolgschaft. »Ich werde euch alle erschlagen!«
Ein Aufschrei entrang sich Covenants Kehle. » Nekhrimah , Hohl!« brüllte er in Schrecken und Verzweiflung. »Rette mich!«
Die Steinmeisterin achtete nicht darauf. Mit aller Körperkraft stach sie mit dem Messer nach Covenants Brust. Aber Hohl handelte. Während die Klinge herabfuhr, sprengten seine Arme mühelos die Fesseln. Er war zu weit weg, sah Covenant, griff zu spät ein ... In zwanzig Schritten Abstand schloß Hohl eine Hand zur Faust. Die Arme der Steinmeisterin erstarrten mitten im Stoß. Die Messerspitze zitterte dicht vor Covenants T-Shirt; aber die Frau vermochte den Stich nicht zu vollenden. Erregt beobachtete Covenant, wie Hohl sich der Steinmeisterin näherte. Hohl schlug mit dem Handrücken zu. Die Frau brach zusammen. Blut schoß ihr aus dem Mund. Während es hervorsprudelte, zuckte sie einmal, lag dann still. Hohl beachtete sie nicht. Er vollführte eine Gebärde in die Richtung des Pfostens, und das Holz zerfiel in Splitter. Covenant schwankte; doch Hohl faßte zu und stellte ihn auf die Beine.
Covenant nahm sich keine Zeit zum Nachdenken. Er schüttelte Holzsplitter und Ranken ab, hob das Messer auf und schob es sich unter den Gürtel. Seine Arme glühten vom Wiedereinsetzen des Blutkreislaufs. Sein Herz hämmerte angestrengt. Aber er zwang sich vorwärts. Er wußte, daß seine Reaktion, falls er jetzt nicht in Bewegung blieb, daraus bestünde, einfach hinzusacken. Mitten durch die wie versteinerten Holzheimer stapfte er zurück ins Dorf, betrat das erste größere Haus, an das er gelangte.
Seine Augen brauchten einen Moment, um sich darin der Trübnis anzupassen. Dann konnte er das Innere erkennen. Die Dinge, die er suchte, hingen an den Wänden: ein aus Ranken geflochtener Beutel mit Brot, ein großer lederner Schlauch, der irgendeine Flüssigkeit enthielt. Er hatte sie schon an sich genommen, als er bemerkte, daß in einer Ecke eine Frau saß. Sie blieb völlig still und reglos, wohl um nicht den Säugling zu gefährden, der an ihrer Brust nuckelte. Covenant entstöpselte den Schlauch und trank einen ergiebigen Zug. Die Flüssigkeit hatte einen lehmigen Geschmack, aber sie wusch ihm einiges vom Verdruß aus der Kehle. »Was ist das?« erkundigte er sich barsch bei der Frau.
»Metheglin« , antwortete sie mit kaum vernehmlicher Stimme.
»Gut.« Er strebte zur Tür, verharrte noch einmal. »Hör zu«, raunzte er die Frau an. »Diese Welt wird sich ändern. Nicht bloß hier – nicht nur, weil ihr eure lausige Steinmacht verloren habt. Das ganze Land wird vollkommen anders sein. Ihr werdet lernen, wieder wie Menschen zu leben. Ohne all das scheußliche Töten.«
Als er das Haus verließ, begann der Säugling zu schreien.
14
Verfolgung
Zügig durchquerte Covenant erneut die Zusammenrottung der entgeisterten Holzheimer. Das Plärren des Säuglings durchdrang das Schweigen wie eine Ermahnung; die Männer und Frauen zeigten Bewegung, blinzelten, schauten umher. In wenigen Augenblicken würden sie sich besonnen haben und wieder zum Handeln imstande sein. »Komm, laß uns abhauen«, sagte Covenant gedämpft zu Hohl, als er ihn erreichte. Er entfernte sich zum nördlichen Ende des Cañons. Hohl folgte.
Der Sonnenaufgang erhellte Covenant den Weg. Hinter ihm blieb die unregelmäßige Landschaftskerbe des Cañons zurück, die Ränder der Schlucht näherten sich einander, so daß sie sich verengte, bis sie nur noch aus einem tiefen, steilwandigen Hohlweg bestand. Er marschierte dahin, ohne einen Blick zurückzuwerfen, verkrampft in die alte kompromißlose Disziplin seines Krankseins. Seine Gefährten waren ihm um zwei Tage voraus und bewegten sich zudem schneller.
Geschrei begann von
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