Das verwundete Land - Covenant 04
Schlauch zur Hälfte geleert. Sein T-Shirt war dunkel von Schweiß. Seine Stirn fühlte sich versengt an, und fiebrige Hitzewallungen durchliefen sie. Das Geflimmer störte sein Empfinden fürs Gleichgewicht, so daß er längst ins Stolpern geriet, während seine Beine noch stark genug waren, um ihn gleichmäßig fortzubewegen. Und seine Kräfte ließen nach; die Sonne entzog sie ihm trotz seiner improvisierten Brotmahlzeit und des Metheglin zusehends.
Für eine Weile umwölkte Unentschlossenheit seine Gedanken. Seine einzige Hoffnung, Linden womöglich noch einholen zu können, lag darin, praktisch bei Tag und Nacht ohne Pause zu marschieren. Wenn er dagegen vernünftig vorging, nur nachts weiterzog, solange die Sonne der Dürre schien, mußte der Landläufer des Gefolgsmanns mit jedem Tag an Abstand gewinnen. Doch es war für Covenant ausgeschlossen, dies Tempo durchzuhalten. Das Herabgluten der Sonne verminderte seine Ausdauer immer weiter; in Augenblicken der Verwirrung kam er sich schon beinahe durchscheinend vor. Als sein Hirn von Benommenheit so getrübt war, daß er sich dabei ertappte, sich ernsthaft zu fragen, ob er Hohl bitten solle, ihn zu tragen, erkannte er endlich seine Grenzen. In einer Zuckung geistiger Klarheit fand er sich plötzlich an Hohls Schulter geklammert, während der Dämondim-Abkömmling reglos in der Sonne stand, weil Covenant den Marsch nicht fortsetzte. Verbittert schlug Covenant nun die nordöstliche Richtung nach Andelain ein.
Er wußte, daß die Randgebiete Andelains ungefähr parallel zur direkten Strecke nach Schwelgenstein verliefen; daher würde er in den Hügeln Andelains immerhin nach wie vor im Bereich des Weges bleiben, den der Gefolgsmann genommen haben mußte. Dennoch lag Andelain weit genug abseits von seiner ursprünglichen Marschrichtung, daß sich Covenant ärgerte. Zwischen den Hügeln würde es ihm wahrscheinlich unmöglich sein, Linden und ihre Begleiter, falls irgendein glücklicher Umstand den Gefolgsmann aufhielt, zu erspähen; und die Unebenheit der Landschaft Andelains konnte ihn zusätzliche Zeit kosten. Aber er war nicht länger dazu in der Lage, seine Entscheidungen ausschließlich unter dem Gesichtspunkt des schnellen Vorankommens zu fällen; nicht unter dieser Sonne. In Andelain besaß er zumindest eine gewisse Chance, lebend den Seelentrostfluß zu erreichen. Und vielleicht, überlegte er, um sich ein wenig zu ermutigen, vermochte nicht einmal ein Mitglied der Sonnengefolgschaft während der verschiedenen Erscheinungsformen der Sonne allzu schnell zu reiten. Verbissen barg er diesen Gedanken unter der aufgerauhten Kehle in seiner ausgelaugten Brust und wanderte auf die andelainischen Hügel zu.
Kurz vor Anbruch der Abenddämmerung, den gleichgültigen Hohl an seinen Fersen, betrat er Andelains üppiges Grün. In seiner Bitterkeit bereitete es ihm kaum Freude, wieder in die letzte Bastion des Heils zu gelangen, die es noch im Lande gab, aber das Sprießen des Grases und die Lebenskraft der Aliantha hatten nichtsdestotrotz auf ihn eine wohltuende Wirkung. Neue Kräfte durchströmten seine Adern; sein Blick klärte sich; sein ausgetrockneter Mund und die ähnlich zugerichtete Kehle begannen sich zu erholen. Solange die gold-orange Strahlenpracht des Sonnenuntergangs anhielt, strebte er mit wieder beschleunigtem Schritt weiter, durchquerte grimmig-entschlossen die Ausläufer der Hügel.
Die ganze Nacht hindurch gewährte er sich nur Verschnaufpausen von jeweils ein paar Minuten. Durch Andelain ernährt, erduldete sein Körper die unbarmherzigen Forderungen seines Willens. Der Mond war noch zu schmal, um eine sonderliche Hilfe zu sein; aber an den Rändern der Hügellandschaft standen nur wenige Bäume, und unterm freien Nachthimmel genügte das Glitzern der Sterne, um ihm den Weg zu erhellen. Er trank Metheglin und aß Brot, um bei Kräften zu bleiben, und zog über Höhen und durch Täler dahin. Als der Beutel leer war, warf er ihn fort. Und ununterbrochen war sein Blick westwärts gerichtet, suchte die Ebenen nach Anzeichen eines Feuers ab, das – wider alle Erwartung und Wahrscheinlichkeit – hätte bedeuten können, daß sich der Gefolgsmann und seine Gefangenen noch in Reichweite befanden. In der Morgenfrühe lagen zwischen ihm und Holzheim Steinmacht bereits zwanzig Längen, und er marschierte noch immer, als hätte er seine menschliche Anfälligkeit durch reinen Starrsinn überwunden.
Doch er konnte sich gegen Erschöpfung nicht immun machen.
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