Das verwundete Land - Covenant 04
Verheerung, die das Sonnenübel fortwährend anrichtete, war eine einzelne Höhle mit gesunden Pflanzen ein geringfügiges Gegengewicht. Und doch stak in dieser Höhle soviel Hingabe, soviel Glaube an das Land, daß man sie einfach als großartige Leistung anerkennen mußte. Er hätte gerne seine Bewunderung zum Ausdruck gebracht, aber er fand keine geeigneten Worte. Nichts als die Beseitigung des Sonnenübels selbst konnte je geeigneter Lohn sein, nichts anderes vermochte den Wegwahrern die Zukunft zu geben, der sie dienten und die sie deshalb verdienten. Die Sorge, ihre aufopferungsvolle Hingabe könnte sich am Ende doch als aussichtslos erweisen, verschleierte ihm den Blick mit Tränen, so daß er die Augen mit den Händen bedeckte.
Als er wieder aufschaute, stieg die Sonne empor. In hellbrauner Farbtönung erhob sie sich über die Ebenen, eine Sonne der Dürre. Die Konturen der Landschaft traten aus der Dämmerung hervor, indem die letzten Reste von Düsternis wichen. Als Covenant sich umsah, erkannte er, daß er im Zentrum eines zerstörten Steinhausens saß.
Die Häuser lagen in Trümmern; vereinzelt standen noch Mauern, ohne daß sie Decken zu tragen gehabt hätten; steinerne Einfassungen lagen umher wie Leichname; Steinplatten mit Fenstern lehnten schräg aneinander. Zuerst war Covenant der Meinung, das Dorf sei von einem Erdbeben betroffen worden. Doch während die Helligkeit zunahm, konnte er gewisse Einzelheiten erkennen, die seiner Vermutung widersprachen. Aller Stein war mit unregelmäßigen Löchern in der Größe seiner Handfläche durchsetzt, als sei ein Hagel von Säureklumpen auf die Ortschaft herabgeregnet, habe sich durch die Dächer gefressen, bis sie einstürzten, die Wälle in geborstene Brocken zerschlagen, in den harten Untergrund Narben gebrannt. Die steinerne Fläche, auf der Covenant saß, war übersät mit eingesengten Flecken. Jedes Stück Stein im ganzen Umkreis, das einmal aufrecht gestanden hatte, war bis zum Zusammenbruch perforiert worden.
»Hölle und Verdammnis«, murmelte Covenant matt. »Was ist denn hier passiert?«
Hamako hatte sich nicht geregt; aber sein Kopf war gesenkt. Als er den Mund öffnete, verriet sein Tonfall unmißverständlich, er war mit diesem Anblick schmerzlich vertraut. »Auch das hier wünschte ich dir zu zeigen«, sagte er mit einem Seufzen. »Zu diesem Zweck habe ich dich hergebracht.« Hinter ihm knirschte es in einem kleinen Hügel, der sich gleich danach auftat, Einblick in die Felskammer gewährte, durch die Hamako und Covenant vor kurzem die unterirdischen Gänge verlassen hatten. Im Gänsemarsch kamen acht Wegwahrer heraus ans Sonnenlicht; aber Hamako schien sie nicht zu bemerken. »Das ist Steinhausen Bestand, einst das Heim jener vom Sonnenübel Verderbten, die dich überfallen hatten. Sie sind das Volk, dem ich entstamme.« Die Wegwahrer stellten sich rings um Hamako und Covenant im Kreis auf. Covenant warf ihnen einen kurzen Blick zu; doch dann konzentrierte er sich wieder auf Hamako. Er wollte hören, was der Mann zu sagen hatte. »Mein Volk«, wiederholte der frühere Steinhausener. »Stolze Menschen – das waren wir allesamt. Vor zwanzig Monden waren wir noch wohlauf und kühn gesonnen. Stolz. Es erfüllte uns mit gewaltigem Stolz, als wir beschlossen, uns der Sonnengefolgschaft zu widersetzen. Du magst davon vernommen haben, wie die Sonnengefolgschaft Blut eintreibt. Alle unterwerfen sich der Blutsaugerei, und auch wir taten's für die Dauer vieler Geschlechterfolgen. Doch nie versiegten in uns Groll und Abscheu, und zuletzt faßten wir den mutigen Entschluß, uns zu weigern, und wir beschieden den Gefolgsmann abschlägig. Ach, Stolz! Der Gefolgsmann verließ uns, und der Zorn des na-Mhoram suchte uns heim.« Seine Stimme bebte. »Es mag sein, daß du von diesem Greuel keine Kenntnis besitzt. Eine Sonne der Fruchtbarkeit schien, und wir befanden uns außerhalb unserer Heime, säten und ernteten, was wir zum Leben brauchten, ohne das Verhängnis zu ahnen, das sich uns nahte. Da plötzlich verwandelte sich das Grün der Sonne in Schwarz – übelstes Schwarz –, und von Schwelgenstein zog wider den Wind eine grausige Wolke über Steinhausen Bestand herauf.« Er hob eine Hand vors Gesicht, drückte sie an die Stirn, um den Schmerz der Erinnerung bewältigen zu können. »All jene, die in den Häusern verblieben waren – Kinder, Mütter, Kranke und Alte –, verfielen wie das ganze Steinhausen fürchterlichem Unheil und Untergang. Alle
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