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Das verwundete Land - Covenant 04

Das verwundete Land - Covenant 04

Titel: Das verwundete Land - Covenant 04 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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Geländes Staubwolken aufwallten, die totem Dampf ähnelten. Am Horizont tummelten sich Schimären, Ausgeburten des Sonnenübels. Die Mittlandebenen lagen in eigenschaftsloser Kahlheit und leblos unter dem Unheil dieser Sonne.
    Aber die Wegwahrer-Kraft in Covenants Adern machte ihm das Vorankommen zu einem wahren Vergnügen. Er eilte mühelos und unbeschwert in stetiger Zügigkeit dahin und hätte gar nicht stehenbleiben können, nicht einmal, wenn er es unbedingt gewollt hätte; seine Muskeln vibrierten vor Kraft; Frohsinn erhob sein Herz; seine Schnelligkeit war ihm ein richtiger Hochgenuß. Ohne Ermüdungserscheinungen zu spüren, lief er wie einst die Ranyhyn.
    Er ermaß sein Vorwärtskommen anhand einer geistigen Landkarte; er entsann sich an die Namen von Regionen, die in seinem Gedächtnis einen so unbedeutenden Platz einnahmen, daß er nicht mehr wußte, wann er sie zum erstenmal gehört hatte. Durch die ausgedehnte Wildnis von Windschoorn: vierzig Kilometer; die zerklüfteten Höhen der Kurash Festillin: zehn Kilometer. Gegen Mittag hatte sein Überschwang etwas nachgelassen, er war in ein gleichmäßiges, flottes Marschtempo verfallen, fraß die Entfernung, als wäre sein Appetit darauf unersättlich. Gestärkt durch Vitrim und die Blutkraft der Wegwahrer, blieb er immun gegen Hitze, Staub und Trugbilder. Hohl hielt Anschluß, als wäre er für gar nichts anderes als diese Geschwindigkeit geschaffen worden. Der Dämondim-Abkömmling brachte unbekümmert Kilometer um Kilometer hinter sich; der Untergrund schien seinen Füßen geradezu nach rückwärts zu entgleiten.
    An der Weite Victuallin Taynes vorüber, wo man in früheren Jahrhunderten ungeheuer ertragreiche Ernten einbrachte: vierzig Kilometer. Über die lange, felsige Steigung von Schiefingen in höhere Regionen: neun Kilometer. Um die ausgetrocknete Grube des Pelluce-Sees mitten nach Klein-Andelain hinein, aus dem einmal das meiste Obst des Landes kam: zwanzig Kilometer.
    Covenant bewegte sich wie in einem Traum von allgewaltiger Kraft. Er hatte kein Gefühl mehr für Zeit, für eine Fortbewegung, die man in Schweiß und Strapazen maß, schienen ihm jetzt die Begriffe abzugehen. Die Wegwahrer hatten ihm den Preis dieser Kraft abgenommen, und es stand ihm frei, zu laufen und zu laufen. Als der Abend näherrückte, befürchtete er, er werde abschlaffen; doch es kam nicht so. Sterne erhellten die trockene, klare Nacht über der Wüstenei, der Mond zeigte sich halb am Firmament, vertroff Silber auf die Ödnis. Ohne Zögern oder Aufenthalt unterteilte er die Dunkelheit in Namen.
    Quer durch den Mittlandbroich: fünfundfünfzig Kilometer. Durch Reichaardsveld, einst das Schmuckstück der Ebenen, jetzt vom Sonnenübel ausgedorrt: fünfundzwanzig Kilometer. Aufwärts durch die zerklüfteten Höhenkämme von Emacrimmas Schlund: zwölf Kilometer. An der Felsbergau entlang, wirr zerborsten, als lägen dort die Trümmer eines Berges: fünfunddreißig Kilometer. Die Nacht entrollte sich wie ein Banner; dann riß sie über den Ebenen auf, flatterte davon, und Covenant marschierte in die Morgendämmerung. Er ließ Mond und Sterne zurück, erlebte den Sonnenaufgang im trockenen Bett des Seelentrostflusses, inzwischen mehr als fünfmal zwanzig Längen von Holzheim Steinmacht entfernt. Covenants Schnelligkeit bedeutete ihm soviel wie ein Geschenk des Herzens. Hohl stets in seinem Rücken, trank er Vitrim und ließ den Fluß zurückbleiben, verließ die Mittlandebenen, zog immer nur weiter, immer nordwestwärts, nach Schwelgenstein.
    Durchs offene Tafelland von Flußwacht: zwanzig Kilometer. Mitten durch die Moore von Grauriedstrich, infolge der Sonne der Dürre passierbar geworden: sechsunddreißig Kilometer. Die Felsen von Kaarstrain hinauf: zwölf Kilometer.
    Die Sonne stand nun hoch am Himmel, und endlich verebbte seine Exaltation. Die unheimliche Kraft wich nicht von ihm – noch nicht –, aber es zeichnete sich ab, daß sie sich erschöpfen mußte. Diese Erkenntnis verursachte ihm ein bitteres Gefühl des Verlusts. Mit voller Absicht beschleunigte er seine Schritte, um mit der Gabe von Hamakos Rhysh noch einmal das äußerste an Kilometern herauszuholen.
    Querfeldein über die gewellte Ausdehnung von Rodenreuth: achtundvierzig Kilometer. Allmählich stellte sich seine menschliche Schwäche wieder ein. Es kostete ihn mit der Zeit immer mehr Mühe, das Tempo beizubehalten. Der Staub begann ihm im Hals zu brennen. Zwischen den flachen Hügeln Consecear Redoins

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