Das verwundete Land - Covenant 04
Säure durch seinen mißhandelten Schädel. »Covenant!« schrie Linden in merklicher Furcht.
Covenant hörte den Steinmeister einschreiten. »Marid!« Er hörte, wie sich die Ängstlichkeit der Steinhausener in Zorn verwandelte. Dann aber schwoll der Schmerz zu einem Brausen an, das ihn taub machte. Für eine Weile fühlte er sich zu benommen, um auch nur die kleinste Bewegung auszuführen. Doch er widersetzte sich der Glut, rappelte sich auf die Knie hoch, so daß jeder das Mal sehen konnte, das Marids Schlag zwischen seinen übrigen blauen Flecken hinterlassen hatte. »Saubere Arbeit, du Schuft«, krächzte er. Seine Stimme schien keinen Laut zu erzeugen. »Wovor hast du dich gefürchtet? Hast du gedacht, er könne uns eine große Hilfe sein? Oder hast du dir bloß einen Spaß erlaubt?« Er bemerkte, daß ringsum dunkles Stimmengewirr ertönte, vermochte aber keine Worte zu unterscheiden. Marid stand mit auf der Brust verschränkten Armen da und grinste. Covenant erhob seine Stimme über das Durcheinander. »Warum verrätst du uns nicht deinen wirklichen Namen? Lautet er Herem? Jehannum? Oder vielleicht Sheol?« Linden befand sich neben Covenant. Fieberhaft bemühte sie sich, ihre Hände zu befreien; doch die Fesseln hielten. Ihr Mund fauchte unterdrückt alle möglichen Flüche. »Nun komm!« ergänzte Covenant, obwohl er Marid durch all den Schmerz kaum erkennen konnte. »Geh auf mich los! Nutze die Gelegenheit! Vielleicht habe ich vergessen, wie man's anwendet.«
Unvermittelt begann Marid zu lachen; sein Gelächter war so eiskalt wie sein Haß. Es drang in Covenants Gehör und hallte in seinem Schädel wie eine Reihe dumpfer Erschütterungen wider. »Du wirst nichts erreichen!« brüllte Marid. »Der Tod ist dir gewiß! Du kannst mir nichts anhaben!«
Der Steinmeister schwang seinen entflammten Stab in Marids Richtung. »Hast du meinen Vater Nassic erschlagen?« hörte Covenant den Mann wie aus weiter Ferne wutentbrannt Auskunft fordern.
»Mit wahrer Freude!« Der Wütrich lachte. »Ah, wie es mir behagte, meine Klinge in seinen Rücken zu bohren!«
Eine Frau schrie gellend auf. Ehe jemand es verhindern konnte, überquerte sie mit wehenden grauen Haaren die offene Weite des Platzes und stürzte sich auf Marid. Er brach zusammen, als habe ihr Angriff ihn auf der Stelle getötet. Covenants Kräfte schwanden. Er fiel auf den Rücken, blieb liegen und keuchte mühselig. Da verdarb der Gestank verbrannten Fleisches die Luft. »Sunder!« zeterte ein Steinhausener. »Ihre Hände!«
»Ist er erschlagen?« wollte ein anderer wissen.
»Nein!« kam die Antwort.
»Laßt mich frei!« schimpfte Linden. »Ich bin Ärztin! Ich kann ihr helfen!« Ihr Ton klang nach Raserei. »Wißt ihr nicht, was ein Arzt ist?«
Im folgenden Moment packten Hände Covenants Arme, stellten ihn auf die Beine. Durch den Schleier der Pein trieb ein Steinhausener auf ihn zu; langsam gewann sein Gesicht an Deutlichkeit und erwies sich als das des Steinmeisters. Seine Stirn glich einem Knoten des Zorns und Grams. »Marid ist ohne Besinnung«, sagte er grob. »Meine Mutter hat sich arg verbrannt. Verrate mir, was das alles zu bedeuten hat!«
»Ein Wütrich.« Covenants Atmung bebte in seinen Lungen. »Hölle und Verdammnis!« Er vermochte nicht aufrichtig zu denken, nicht die Worte zu finden, deren es bedurfte.
Der Steinmeister grub seine Fäuste in Covenants Hemd. »Sprich!«
»Gottverdammt«, schnauzte irgendwo nahbei Linden, »lassen Sie ihn in Frieden! Sehen Sie nicht, daß er verletzt ist?«
Covenant rang um geistige Klarheit. »Bindet sie los!« sagte er zum Steinmeister. »Sie ist eine Heilerin.«
Am Kinn des Steinmeisters verkrampften sich die Muskeln, lockerten sich wieder. »Ich habe keinen Grund, ihr zu vertrauen. Sprich zu mir von Marid!«
Marid. Covenant röchelte. »Hör zu!« Schweißbedeckt, gemartert von Schwindel und Übelkeit, verdrängte er den Schmerz aus seiner Wahrnehmung. »In ihm war ein Wütrich.« In den Augen des Steinmeisters stand vollkommenes Nichtbegreifen. »Wenn er aufwacht, wird er wahrscheinlich wieder normal sein. Vielleicht entsinnt er sich nicht einmal daran, was passiert ist. Ein Wütrich hatte ihn übernommen. Der Wütrich kann jetzt praktisch überall sein. Er ist ungeschoren geblieben. Man braucht eine Menge Kraft, um einen von ihnen auszuschalten, selbst nur vorübergehend. Ihr müßt auf ihn achten. Er kann jeden übernehmen. Beobachtet jeden, der sich merkwürdig zu verhalten anfängt.
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