Das verwundete Land - Covenant 04
Marid gesehen habe? Deshalb kam er mir so ... so widernatürlich vor?«
»Ja.« Wenn Covenant seine Aufmerksamkeit ganz ihrer Stimme widmete, spürte er den Schmerz weniger; er brannte heißer, gleichzeitig jedoch punktueller, eingegrenzter. Statt wie eine riesige Beule auf seinem Gehirn sein Denken zu trüben, fühlte es sich nur noch wie ein Glühen unter seiner Kopfhaut an. »Marid war bloß sein Opfer. Der Wütrich hat ihn benutzt, um Nassic zu töten ... und uns in diese Schwierigkeiten zu bringen. Ich weiß nur nicht, warum. Will Foul uns hier abmurksen lassen? Oder geht in Wahrheit irgend etwas anderes vor? Wenn Foul unseren Tod wünscht, hat der Wütrich einen großen Fehler begangen, als er sich entlarven ließ. Jetzt hat das Steinhausen sich mit noch was anderem als lediglich mit uns zu befassen.«
»Was ich nicht verstehe«, sagte Linden mit der Trostlosigkeit eines hoffnungslosen Bittgesuchs, »ist die Tatsache, daß ich dazu imstande war, ihn zu durchschauen. All das ist völlig unmöglich.«
Ihr Ton löste in ihm unerwartete Erinnerungen aus. Schlagartig fiel ihm auf, daß sie Marid auf die gleiche Weise wie vorher Joan angestarrt hatte. Die Begegnung mit Joan hatte sie unübersehbar erschüttert. Er öffnete die Augen und schaute Linden an, während er sprach. »Das ist einer der wenigen Umstände, die ich als ganz natürlich empfinde. Bei den bisherigen Malen, als ich hier war ... konnte ich das sehen, was diesmal nur Sie sehen können.« Lindens Gesicht war ihm zugewandt, aber sie sah ihn nicht an. Ihre Aufmerksamkeit war nach innen gekehrt; sie rang mit der augenscheinlichen Irrsinnigkeit ihres Geschicks. »Ihre Sinneswahrnehmung«, fügte er hinzu, um ihr zu helfen, »paßt sich dem Land an. Sie werden für den Geist des Physischen rings um Sie empfänglich. Mit der Zeit werden Sie immer mehr die Fähigkeit haben, wenn Sie etwas anschauen, hören oder anfassen, zu sagen, ob es krank oder gesund ist, natürlich oder unnatürlich.« Linden machte den Eindruck, als höre sie ihn gar nicht. »Bei mir dagegen ist's diesmal nicht so«, schnarrte Covenant und trotzte seiner Pein. Ihm lag daran, Linden schleunigst aus ihrem eigenen Inneren zurückzuholen, bevor sie sich vollends verirrte. »Nach dem beurteilt, was ich sehen kann, könnte ich genausogut blind sein.«
Linden warf ihren Kopf von der einen zur anderen Seite. »Und wenn nun mit mir etwas nicht stimmt?« meinte sie leise und kummervoll. »Wenn ich dabei bin, den Verstand zu verlieren?«
»Nein! In dieser Hinsicht kann gar nichts falsch sein. Und um den Verstand können Sie nicht kommen, solange Sie's nicht zulassen.« Wildheit verspannte Lindens Gesichtszüge. »Geben Sie nicht auf!«
Sie hatte ihn gehört. Mit einer Anstrengung, die Covenant nachgerade das Herz zu zerreißen drohte, zwang Linden ihren Körper Muskel um Muskel zum Entkrampfen. Zittrig atmete sie ein; doch als sie ausatmete, war sie ruhiger. »Ich fühle mich eben so hilflos.« Covenant schwieg und wartete auf weitere Äußerungen ihrerseits. Einen Moment später zog sie mit scharfem Geräusch die Nase, schüttelte sich das Haar aus dem Gesicht und erwiderte Covenants Blick. »Wenn diese Wütriche von jedem Besitz ergreifen können«, meinte sie, »warum dann nicht von uns? Wenn wir so wichtig sind ... wenn dieser Lord Foul das ist, was Sie von ihm behaupten ... weshalb läßt er uns nicht einfach von Wütrichen übernehmen und zieht durch, was er im Sinn hat?«
Mit einem lautlosen Aufstöhnen der Erleichterung ließ sich Covenant erschlaffen. »Genau das ist die eine Sache, die er nicht tun kann. Das kann er sich nicht erlauben. Er wird versuchen, uns auf jede Weise zu manipulieren, die ihm einfällt, aber er muß das Risiko eingehen, daß wir nicht machen, was er will. Er ist auf unsere Freiwilligkeit angewiesen. Was er von uns will, hätte für ihn keinerlei Wert, wenn wir's nicht freiwillig tun!« Und außerdem , ergänzte er in Gedanken, wagt Foul es nicht, meinen Ring einem Wütrich in die Hände fallen zu lassen. Wie könnte er einem von ihnen, wenn er erst einmal über soviel Macht verfügt, noch trauen?
Linden runzelte die Stirn. »Das klingt einleuchtend ... vorausgesetzt, ich könnte endlich begreifen, warum wir so wichtig sind. Was wir haben, an dem ihm gelegen ist. Aber lassen wir das bis auf weiteres.« Sie holte tief Atem. »Wenn ich den Wütrich bemerken konnte, wieso war sonst niemand dazu imstande?«
Ihre Frage erfüllte Covenant mit neuer schmerzlicher
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