Das verwundete Land - Covenant 04
versuchen. Er war unschuldig.«
Verlegen hob Linden eine Hand und strich ihm Perlen nutzlosen Schweißes von der Stirn. »Sie sehen schrecklich aus.«
Durch seine Erschöpfung stierte Covenant sie an. Dreck verkrustete ihre Lippen und Wangen, hatte sich in den Fältchen beiderseits ihres Mundes gesammelt. Rinnsale von Schweiß hatten ihr Gesicht mit senkrechten Streifen durchzogen. Ihre Augen wirkten stumpf. »Sie auch.«
»Dann sollten wir mal besser was unternehmen.« Die Zittrigkeit ihrer Stimme widersprach Lindens Bemühen um einen resoluten Tonfall. Doch sie stand auf und half Covenant dabei, sich aufzurichten. »Lassen Sie uns umkehren. Vielleicht sucht Sunder inzwischen nach uns.« Covenant nickte. Er hatte den Steinmeister vergessen gehabt.
Aber als er und Linden kehrtmachten, um zurück in die Richtung zu gehen, aus der sie gekommen waren, sahen sie durch das Flimmern der Hitze eine dunkle Gestalt sich nähern. Covenant hielt ein, blinzelte hinüber. Eine Luftspiegelung? Linden trat zu ihm, wie in ständiger Bereitschaft, um zu verhindern, daß er das Gleichgewicht verlor. Sie warteten. Die Gestalt kam näher, bis sie Sunder erkennen konnten. Zwanzig Schritte von ihnen entfernt blieb er stehen. Seine Rechte umklammerte den Dolch. Diesmal wirkte er mit der Handhabung des Messers vollauf vertraut. Covenant beobachtete den Steinmeister reichlich entgeistert, als habe das Messer sie durchs bloße Vorhandensein zu Fremden gemacht. Lindens Hand berührte wie zur Warnung seinen Arm.
»Thomas Covenant.« Sunders Gesicht sah aus wie heißer Stein. »Wie lautet mein Name?« Wie ...? Covenant glotzte mit gerunzelter Stirn in die Hitze zwischen ihnen. »Sprich meinen Namen aus!« schnauzte der Steinmeister wütend. »Zwing's mir nicht auf, dich töten zu müssen.«
Töten? Covenant unternahm eine ernsthafte Anstrengung, um seine Verwirrung zu überwinden. »Sunder«, krächzte er. »Steinmeister von Steinhausen Mithil. Träger des Sonnensteins.«
Fassungsloses Unverständnis begann Sunders ganzes Gebaren zu kennzeichnen. »Linden Avery?« meinte er mit einer Stimme, die zu versagen drohte. »Wie ist der Name meines Vaters?«
»War«, berichtigte Linden in ausdruckslosem Ton. »Sein Name war Nassic, Jous' Sohn. Er ist tot.«
Sunder starrte Covenant und Linden an wie zwei wundersame Erscheinungen. Dann ließ er die Hände an die Seiten sinken. »Himmel und Erde! Es ist undenkbar. Das Sonnenübel ... Noch nie habe ich erlebt ...« Voller Staunen schüttelte er den Kopf. »Ach, ihr seid ein Rätsel! Wie kann so etwas sein? Vermag ein Ring aus Weißgold die Ordnung des Lebens zu verändern?«
»Manchmal ja«, murmelte Covenant. Er widmete sich einer lückenhaften Reihe von Erinnerungen. Alles was er tat, lief auf einen unbeabsichtigten Verstoß gegen die gewohnten Wahrnehmungsmuster des Steinmeisters hinaus. Er verspürte das Bedürfnis, Sunders Mißbehagen durch irgendeine Erklärung zu lindern. Das Wallen der Hitze schien den Unterschied zwischen Vergangenem und Gegenwart zu verwischen. Etwas mit seinen Stiefeln ...? Er zwängte Worte über seine wie verdorrten Lippen. »Als ich zum erstenmal hier war ...« Stiefel – ja, das war es. Seibrich Felswürm hatte seinen Standort dank der fremdartigen Berührung seiner Stiefel auf dem Erdboden des Landes herausfinden können. »Meine Stiefel. Lindens Schuhe. Sie stammen nicht aus dem Land. Kann sein, daß sie uns geschützt haben.«
Sunder nahm die Erklärung an, als wäre sie ein Segen. »Ja. So muß es sein. Fleisch ist Fleisch und gegen das Sonnenübel machtlos. Doch eure Fußbekleidung ... derlei habe ich nie zuvor gesehen. Gewißlich hat sie euch vor den ersten Sonnenstrahlen geschützt, denn andernfalls müßtet ihr bereits so verwandelt sein, daß ihr mich nicht länger gekannt hättet.« Nun schnitt er eine mißmutige Miene. »Warum habt ihr mir das verschwiegen? Ich war voller Furcht, daß ...« Die Verkrampfung seiner Kiefer brachte das Ausmaß der durchgestandenen Furcht deutlich zum Ausdruck.
»Wir wußten's selbst nicht.« Covenant wünschte nichts, als sich niederlegen zu können, die Augen zu schließen, zu vergessen. »Wir haben Glück gehabt.« Ein Moment verstrich, ehe er genug Willen zum Weitersprechen aufzubringen vermochte. »Marid ...?«
Sofort legte Sunder das Interesse an allem anderen ab. Er ging sich die Pfosten und Löcher ansehen. Furchen runzelten seine Stirn. »Narren«, knurrte er. »Ich habe sie ermahnt, dergleichen vorzubeugen.
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