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Das verwundete Land - Covenant 04

Das verwundete Land - Covenant 04

Titel: Das verwundete Land - Covenant 04 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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machen?«
    »Ach.« Nun verstand er, was sie meinte. »Meine Bedeutung ist gering. Der Verlust des Sonnensteins wiegt schwerer, doch auch dieser Verlust kann überwunden werden. Der Sonnenstein selbst hat nur kargen Nutzwert. Mein Schüler kennt sich in allen Riten wohl aus, die während des Fehlens eines Sonnensteins zu vollziehen sind. Ohne Zweifel hat er beim heutigen Sonnenaufgang das Blut meiner Mutter Kalina vergossen. Das Steinhausen wird überdauern. Wie sonst hätte ich tun können, was ich getan habe?«
    »Du bist nicht verheiratet?« wollte Linden nach kurzer Gesprächspause erfahren.
    »Nein.« Seine Antwort klang nach insgeheimem Schmerz.
    Allem Anschein nach entnahm Linden dem einen Wort eine ganze Anzahl verborgener Bedeutungen. »Aber du warst es«, sagte sie ruhig.
    »Ja.«
    »Und was ist daraus geworden?«
    Zunächst schwieg Sunder. »Bei unserem Volk hat nur der Steinmeister die freie Wahl einer Gemahlin«, antwortete er schließlich. »Das Überleben des Steinhausens ist von der Vielzahl der Kinder abhängig. Daher überläßt man's nicht den Zufälligkeiten von Zuneigung oder Gunst, daß Kinder geboren werden. Aufgrund althergebrachten Brauchtums jedoch hat der Steinmeister die Freiheit der Wahl. Als Entgelt für die Bürde seines Werks. Die Wahl meines Herzens galt Aimil, Anests Tochter. Anest war die Schwester meiner Mutter Kalina. Von Kindesbeinen an waren Aimil und ich einander zugetan. Voller Freude vermählten wir uns, und frohgemut trachtete ich danach, unsere Ehegemeinschaft mit einem Kind zu vervollkommnen. Wir bekamen einen Sohn, und er erhielt den Namen Nelbrin, der ›Herzenskind‹ bedeutet.«
    Sein Ton war so barsch wie rundum das Gelände. »Er war ein blasser Knabe von keiner großartigen Gesundheit. Doch er wuchs, wie ein Kind wachsen soll, und er war uns soviel wert wie ein Schatz. Zwanzig Monde lang wuchs er heran. Nur langsam lernte er das Laufen, und er stand nicht fest auf den Beinen, aber endlich konnte er laufen und tat es mit Vergnügen. Bis ...« Er schluckte krampfhaft. »Bis meine Gemahlin Aimil ihm durch ein Versehen in unserem Heim Schaden zufügte. Sie wandte sich mit einem schweren Topf vom Herd ab, und unser Sohn Nelbrin war zu ihr gegangen und stand hinter ihr. Das Gefäß traf Nelbrin gegen die Brust. Von dem Tag an war er krank und dem Tode geweiht. Ein dunkles Geschwür schwoll in ihm, und er war siech, sein Leben schwand dahin.«
    »Hämophilie«, konstatierte Linden kaum vernehmlich. »Armes Kind.«
    Sunder ließ sich nicht ablenken. »Als ihm der Tod im Antlitz geschrieben stand, so daß jedermann es sehen konnte, fällte das Steinhausen über ihn das Urteil. Man gebot mir, ihn zum Wohle der Gemeinschaft zu opfern.«
    In Covenants Eingeweiden fing ein Brennen zu wüten an. Er schaute auf und musterte den Steinmeister. Die Ausgedörrtheit seiner Kehle kam ihm vor, als werde er langsam erdrosselt. Ihm war, als könne er den Erdboden unter sich sieden hören.
    »Deinen eigenen Sohn?« vergewisserte Linden sich empört. »Und das hast du gemacht?«
    Sunder starrte hinaus ins Sonnenübel, als sei es der Inbegriff seiner Lebensgeschichte. »Ich konnte seinen Tod nicht abwenden. Die Sonne der Dürre und die Sonne der Seuchen hatten uns in große Not gebracht. Ich vergoß sein Blut, um aus der Erde Wasser und Nahrung für das Steinhausen zu gewinnen.«
    O Sunder! stöhnte Covenant inwendig auf. »Und wie stand Aimil dazu?« wollte Linden mit gepreßter Stimme wissen.
    »Es erbitterte sie ... Alle Mühe wendete sie auf, um zu verhindern, was ich tun mußte ... und als es ihr nicht gelang, verfiel ihr Geist der Wildheit. Verzweiflung überwältigte sie, und ...« Für einen Moment fehlten Sunder die Worte, deren er bedurfte. Dann sprach er rauhkehlig weiter. »Sie selber brachte sich eine tödliche Wunde bei. Auf daß ihr Blut nicht sinnlos verschwendet werde, opferte ich auch sie.«
    Auf daß ...! Hölle und Verdammnis! Nun verstand Covenant, weshalb die Vorstellung, seine Mutter töten zu müssen, Sunder dazu getrieben hatte, seinem Heimatort den Rücken zu kehren. Wie viele geliebte Menschen umbringen zu müssen konnte man ertragen?
    »Es war nicht deine Schuld«, versicherte Linden grimmig. »Du hast getan, was du tun mußtest.« Ihre Stimme erfüllte sich mit Leidenschaft. »Es liegt an diesem Sonnenübel.«
    Der Steinmeister sah sie nicht an. »Alle Männer und Weiber sterben irgendwann. Darüber zu klagen, entbehrt jeglichen Sinns.« Seine Worte erweckten den

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