Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das verwundete Land - Covenant 04

Das verwundete Land - Covenant 04

Titel: Das verwundete Land - Covenant 04 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
Vom Netzwerk:
Sterne reichte aus. Das Terrain war mühelos begehbar, und Sunder kannte die Richtung. Bald begann von Osten her ein vager Streifen von Grau ins Schwarz der Nacht einzusickern. Die Aufhellung des Horizonts erregte Sunder noch mehr. Er suchte beim Gehen ringsum den Untergrund ab, wich bisweilen vom Weg ab wie in Seitensprüngen der Furcht, um Unregelmäßigkeiten des Erdbodens näher in Augenschein zu nehmen. Anscheinend fand er jedoch nicht, worauf er aus war. Nachdem sie ungefähr einen Kilometer zurückgelegt hatten, stand die Dämmerung unmittelbar bevor. Eindringlich wandte sich Sunder an Covenant und Linden. »Wir müssen Stein finden. Irgendeinen harten Fels, frei von jeglichem Erdreich. Ehe die Sonne aufgeht. Haltet Umschau, wenn euch ein gesundes Leben und ein anständiger Tod lieb ist!«
    Steif verharrte Covenant. Seine Umgebung schien zu schwanken, als wolle sie auseinanderfallen. Er fühlte sich vor Erschöpfung total benommen. »Dort«, sagte Linden. Sie zeigte nach rechts. Covenant spähte an die Stelle, wohin sie deutete. Er vermochte nichts zu erkennen. Aber er verfügte auch nicht über ihre besondere Sicht.
    Einen Moment lang starrte Sunder sie an, dann hastete er hin, um nachzusehen. Mit seinen Händen tastete er die Erdoberfläche ab. »Stein!« sagte er. »Mag sein, zur Genüge.« Er sprang auf. »Hier müssen wir uns hinstellen. Der Stein wird uns schützen.«
    Entkräftung brachte Covenants Blickfeld ins Verschwimmen. Er konnte den Steinmeister nicht länger deutlich sehen. Für seine Begriffe ergab Sunders Aufregung keinerlei Sinn. Bis zum Sonnenaufgang waren es nur noch wenige Augenblicke; der Horizont zeichnete sich gegen die heraufziehende Helligkeit scharf ab. Sollte das alles bedeuten, daß er Grund zur Furcht vor der Sonne hätte?
    Linden stellte Sunder genau diese Frage. »Bist du der Ansicht, die Sonne könnte uns irgendwie Schaden zufügen? Das ist doch Unfug. Gestern haben wir während eurer absurden Probe des Schweigens den halben Morgen in der Sonne zugebracht, und das einzige, worunter wir zu leiden hatten, waren Vorurteile.«
    »Ihr hattet Stein unter den Füßen!« schäumte der Steinmeister. »Es ist der erste Sonnenstrahl, der das Unheil bewirkt! Gestern hat der erste Sonnenstrahl euch berührt, als Stein euch geschützt hat!«
    Ich habe keine Zeit für diesen Quatsch , sagte sich Covenant. Vor seinem geistigen Auge sah er zumindest Marid deutlich genug. Alleingelassen zum Sterben in der Sonne. Unsicher hob er den Fuß, um weiterzugehen. »Narr!« brüllte Sunder. »Und für dich habe ich an der Gemeinschaft, in der ich zur Welt gekommen bin, Verrat begangen!« Einen Moment später schloß Linden sich Covenant an. »Sucht Stein!« Die beschwörende Heftigkeit des Steinmeisters klang nach höchster Verzweiflung. »Ihr richtet mich zugrunde! Muß ich denn auch euch noch töten?!«
    Für ein paar Schritte schwieg Linden. »Er glaubt's«, meinte sie dann leise.
    Unerwünscht starke Beunruhigung packte Covenant. Unwillkürlich blieb er stehen. Er und Linden wandten sich nach Osten um. Sie blinzelten in den feurigen anfänglichen Rand der im Aufgehen begriffenen Sonne. Sie flammte längs des Horizonts rot auf: sie selbst jedoch besaß eine braune Aura, als scheine sie durch eine Staubkruste. Ihre Strahlen fielen Covenant mit trockener Hitze ins Gesicht. »Nichts«, sagte Linden gepreßt. »Ich spüre nichts.«
    Covenant schaute sich nach Sunder um. Der Steinmeister stand auf dem Felsboden. Er hatte das Gesicht mit den Händen bedeckt, und seine Schultern bebten.
    Weil er nicht wußte, was sich anderes hätte tun lassen können, wandte Covenant sich ab und machte sich krampfhaft auf die Suche nach Marid. Linden blieb bei ihm. Hunger hatte sich ihrem Gesicht eingeprägt, gab ihm eine gewisse Eingesunkenheit; und sie hielt den Kopf, als schmerze sie noch immer die Verletzung hinterm linken Ohr. Aber ihre Zähne waren aufeinandergebissen, betonten die festen Umrisse ihres Kinns, und ihre Lippen waren aus Strenge bleich. Sie sah aus wie eine Frau, die nicht wußte, wie man kapitulierte. Covenant fand in ihrer Entschlossenheit Bestärkung und schleppte sich weiter dahin.
    Der Sonnenaufgang hatte in den Ebenen die Umgebung verändert. Im Dunkel der Nacht hatte sie silbrig und halbwegs erträglich ausgeschaut; nun jedoch verwandelte sie sich zusehends in eine heiße, leblose Wüste. In der ganzen weiten Ödnis wuchs nichts, bewegte sich nichts. Der Untergrund war bis zur Härte von Eisen

Weitere Kostenlose Bücher