Das verwundete Land - Covenant 04
Niemand kann die Folgen des Sonnenübels voraussagen. Nun geht in den Ebenen Böses um.«
»Du meinst«, fragte Linden nach, »ihm ist keine richtige Flucht gelungen? Ist er nicht gerettet?«
»Habe ich nicht gesagt, daß keine Zeit ist?« fragte der Steinmeister barsch zurück. »Ihr habt nichts bewirkt als eure Entkräftung. Ich bin euch in eurem zwecklosen Treiben gefolgt. Nun ist's genug. Nun werdet ihr mir folgen.«
Linden musterte Sunder. »Und wohin?«
»Unterschlupf suchen«, antwortete Sunder in ruhigerem Ton. »In dieser Sonne dürfen wir nicht verbleiben.«
Covenant deutete ostwärts, in die Richtung einer Region, die er kannte. »Die Hügel ...«
Sunder schüttelte den Kopf. »In den Hügeln läßt sich Unterschlupf finden, freilich. Doch um hinzugelangen, müßten wir in Sichtweite am Steinhausen Windwais vorüber. Das würde mit Gewißheit Opferung bedeuten – für alle Fremden ebenso wie für den Steinmeister von Steinhausen Mithil. Wir ziehen gen Westen, zum Mithil.«
Covenant konnte dem schwerlich widersprechen. Mangelhafte Kenntnisse beschränkten seine Entscheidungsfähigkeit. Als Sunder seinen Arm ergriff und ihn von der Sonne fortdrehte, begann er steifgliedrig aus der versandeten, staubigen Geländemulde zu schlurfen. Linden blieb an seiner Seite. Ihre Schritte fielen unsicher; sie wirkte inzwischen gefährlich geschwächt. Sunder befand sich noch recht gut bei Kräften, aber seine Augen blickten trüb drein, als sähe er Unheil voraus. Und Covenant war kaum noch dazu imstande, die Füße zu heben. Die Sonne schien sich, während sie den Himmel erklomm, um ihren mittäglichen Zenit zu erreichen, an seine Schultern zu krallen, ihm aufzuhocken. Hitzewellen wogten auf seiner Haut hin und her – eine unbekömmliche Art von Fieberschauern, die er wie eine Begleiterscheinung des Nachglühens in seinem versengten Herzen empfand. Seine Augen fühlten sich infolge ihrer ständigen trockenen Bewegungen wund an. Nach einiger Zeit fing er an, nur noch dahinzutorkeln, als seien seine Kniegelenke im Auseinanderfallen begriffen. Dann lag er auf einmal im Schmutz, ohne zu wissen, wie er gestürzt war; Sunder half ihm beim Aufsetzen. Das Gesicht des Steinmeisters war vom Staub grau; auch er litt nunmehr sichtlich unter den Strapazen. »Thomas Covenant«, keuchte er, »diese Anstrengungen werden dein Ende sein. Du benötigst Wasser. Willst du nicht deinen Ring aus Weißgold verwenden?« Covenants Atmung ging flach und unregelmäßig. Er starrte ins Geflimmer, als sei er erblindet. »Deinen Ring aus Weißgold«, drängte Sunder. »Du mußt Wasser aus der Erde holen, sonst wirst du sterben.«
Wasser. Covenant sammelte die Scherben seiner selbst um diesen Gedanken. Unmöglich. Er vermochte sich nicht zu konzentrieren. Er hatte die wilde Magie nie bei etwas anderem als Auseinandersetzungen benutzt. Sie war kein Allheilmittel. Sunder und Linden betrachteten ihn beide, als wäre er allein für ihre Hoffnungen verantwortlich. Sie standen oder fielen mit ihm. Um der zwei willen hätte er durchaus den Versuch unternommen. Aber ein Erfolg war auch noch aus anderen Gründen ausgeschlossen. So qualvoll, als sei er an allen erdenklichen Stellen seines Körpers aus den Fugen geraten, beugte er sich vor, kämpfte sich auf die Knie empor, dann auf die Füße. »Ur-Lord!« schalt der Steinmeister.
»Ich weiß nicht ...«, brabbelte Covenant und hustete. »Weiß nicht wie.« Am liebsten hätte er losgebrüllt. »Ich bin Leprotiker. Ich kann nichts wahrnehmen ... kann nicht fühlen ...« Die Erde war ihm verschlossen; sie lag öd und nichtssagend unter seinen Füßen, wie eine Eindickung des Hitzeflimmerns, nicht mehr. »Ich weiß nicht, wie ich an Wasser kommen soll.« Es müßte Erdkraft da sein. Und ein Lord, der damit umgehen kann. Aber es ist keine Erdkraft da. Die Lords sind dahin. Er fand keine Worte, um seine Hilflosigkeit klar genug verständlich zu machen. »Ich kann's einfach nicht.«
Sunder stöhnte. Doch er zögerte nur für einen Moment. Dann seufzte er in deutlicher Resignation auf. »Nun wohl. Dennoch müssen wir Wasser haben.« Er zückte sein Messer. »Meine Kräfte sind noch größer als eure. Vielleicht kann ich ein wenig Blut entbehren.« Grimmig setzte er die Klinge ans Netzwerk von Narben auf seinem linken Unterarm.
Fahrig versuchte Covenant, seine Absicht zu vereiteln. Linden jedoch war schneller. Sie packte Sunders Handgelenk. »Nein!«
Der Steinmeister entriß ihr seine Hand. »Wir müssen
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