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Das verwundete Land - Covenant 04

Das verwundete Land - Covenant 04

Titel: Das verwundete Land - Covenant 04 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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auf den Beinen, starrten ihn an. Ein Laut, der einem trockenen Schluchzen glich, entfuhr Covenant. Erleichterung und frohe Dankbarkeit machten seine Sicht verschwommen. Von den Lippen fiel ihm der von der Frucht übriggebliebene Stein. »O mein Gott«, murmelte er mit brüchiger Stimme. »Es gibt noch Erdkraft.«
    Im nächsten Moment erreichte ihn Linden. Sie half ihm beim Aufstehen, schaute ihm ins Gesicht. »Sind Sie ...?« begann sie, unterbrach sich jedoch. »Nein, Sie sind unbeschadet geblieben. Sogar besser dran. Ich sehe schon jetzt einen Unterschied. Wie ...?«
    Covenant konnte nicht zu beben aufhören. Am liebsten hätte er Linden an sich gedrückt; doch er erlaubte sich nur, ihre Wange zu berühren, strich eine Strähne ihres Haares von ihrem Mund. Dann pflückte er, wie zur Antwort und um ihr zu danken, noch eine Beere und gab sie ihr. »Essen Sie sie ...«
    Linden hielt die Beere behutsam zwischen den Fingern und betrachtete sie. Plötzlich traten ihr Tränen in die Augen. »Das ist das erste Gesunde ...«, flüsterte sie; ihre Lippen bebten. Ihre Stimme versagte.
    »Essen Sie«, drängte Covenant sie mit schwerfälliger Stimme.
    Linden hob die Beere an den Mund. Sie nahm sie zwischen die Zähne. Langsam breitete sich auf ihrem Gesicht ein Ausdruck tiefer Verwunderung aus. Ihre Haltung straffte sich; sie begann zu lächeln wie eine kühlfrische Dämmerung. Covenant nickte, um anzuzeigen, daß er verstand, was in ihr vorging. »Spucken Sie den Stein aus. Vielleicht wächst ein neuer Strauch.«
    Linden hielt den Stein einen Augenblick lang in der Hand, als sei er ein mit einem Segen bedachter Gegenstand, bevor sie ihn auf die Erde warf.
    Sunder hatte sich nicht geregt. Er stand nur da, die Arme um die Brust gekrampft. Seine Augen waren stumpf vor Entsetzen, während er mitansehen mußte, wie sein gesamtes bisheriges Leben sich als falsch erwies. Sorgsam zupfte Covenant die letzte Beere vom Strauch. Seine Schritte fielen nahezu mit fester Stetigkeit, als er zu Sunder stapfte. Erdkraft! sang sein Herz. »Sunder«, sagte er halb nachdrücklich, halb im Ton einer eindringlichen Bitte, »das ist eine Aliantha . Früher hat man sie auch Schatzbeeren genannt ... weil sie ein Geschenk der Erde an jeden waren, der Hunger oder Mangel litt. So und nicht anders war einmal das ganze Land.« Sunder reagierte nicht. Sein Blick war vollständig glasig.
    »Sie enthalten kein Gift«, bekräftigte Linden mit aller Deutlichkeit. »Der Strauch ist gegen das Sonnenübel immun.«
    »Iß sie«, riet Covenant ihm energisch. »Das ist es, weshalb wir hier sind. Was wir wiederherstellen wollen. Gesundheit. Erdkraft. Iß.«
    Mit gequälter Mühsal raffte sich Sunder zu einer Antwort auf. »Ich habe beileibe nicht den Wunsch, dir zu trauen.« Seine Stimme ähnelte einer Ödnis. »Du zerstörst all mein bisheriges Leben. Wenn ich mich damit abfinde, daß die Aliantha nicht giftig sind, wirst du mich als nächstes anzuerkennen zwingen, daß es gar kein Sonnenübel gibt – daß alles Leben im Lande während all der vielen Geschlechterfolgen keinen Sinn hatte. Daß das Blutvergießen, das ich auf mich genommen habe, nichts anderes war als Mord.« Er schluckte kloßig. »Doch ich muß es wagen. Ich muß eine Wahrheit finden, um sie an die Stelle jener Wahrheit zu setzen, die du zerstörst.« Unvermittelt nahm er die Beere und schob sie sich in den Mund. Einen Moment lang war sein Gesicht ein unverhüllter Spiegel seiner Seele. Seine anfängliche Erwartung von Unheil machte widerwilliger Freude Platz; seine innere Welt rang mit unabwendbaren Wandlungen. Als er den Stein der Frucht aus dem Munde holte, zitterten ihm die Hände. »Himmel und Erde!« stieß er leise hervor. Seine Ehrfurcht war so tief wie zuvor seine Sorge. »Covenant ...« Seine Kiefer mahlten, während er nach Worten suchte. »Ist das wahrhaftig das Land ... das Land, von dem mein Vater geträumt hat?«
    »Ja.«
    »Dann war er wahnsinnig.« Eine tiefe Erschütterung des Grams brachte Sunders Schultern zum Zucken, ehe er das zerfledderte Kleid seiner Selbstbeherrschung wieder um sich zusammenzerrte. »Ich muß lernen, ähnlich wahnsinnig zu sein.« Er wandte sich ab und kehrte zu der Felsplatte zurück, setzte sich in den Schatten und bedeckte das Gesicht mit den Händen.
    Um Sunders innerer Desorientierung wenigstens ein gewisses Maß an Privatheit zuzugestehen, widmete Covenant seine Aufmerksamkeit Linden. Die neuartige Auflockerung ihrer Miene milderte ihre

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