Das verwundete Land - Covenant 04
Eindruck, als martere die Sonne ihn so sehr, wie sie die Ebenen verheerte. »Was wünscht ihr ferner über mich zu wissen? Ihr braucht nur zu fragen. Ich habe vor euch keine Geheimnisse.«
Es verlangte Covenant danach, Sunder Trost zu spenden; aber er verstand nichts von Trost. Zorn und Trotz waren die einzigen Werte, die ihm etwas besagten. Weil er den Steinhausener nicht zu trösten vermochte, versuchte er ihn zu zerstreuen. »Erzähl mir was von Nassic.« In seinem eigenen Mund schmeckte jedes einzelne Wort ungefüge. »Wie ist er an einen Sohn gekommen?«
Linden blickte Covenant an, als verdrieße sie sein mangelhaftes Feingefühl; Sunder dagegen entspannte sich sichtlich.
Anscheinend erleichterte ihn die Frage, als sei er froh, der Sinnlosigkeit seiner alten Trauer ausweichen zu dürfen. »Mein Vater Nassic«, sagte er mit einer Müdigkeit, die ohne weiteres als Ruhe gelten konnte, »war wie sein Vater Jous und wie Prassan, seines Vaters Vater. Er war ein Mann aus Steinhausen Mithil. Sein Vater Jous wohnte an jener Stätte, die er das Heiligtum nannte, und dann und wann besuchte Nassic seinen Vater Jous, zum Teil aus Achtung vor ihm, jedoch auch, um sich davon zu überzeugen, daß kein Unglück ihn ereilt hatte. Das Steinhausen vermählte Nassic mit Kalina, und sie lebten miteinander wie jeder junge Mann und jedes junge Weib. Dann aber nahte Jous' Tod. Nassic suchte das Heiligtum auf, um seinen Vater zum Zwecke der Opferung nach Steinhausen Mithil zu bringen. Er kehrte nicht zurück. Im Sterben hatte Jous seinem Sohn Nassic die Hände aufgelegt, und der Wahnsinn oder das Prophetentum übertrug sich vom Vater auf den Sohn. Somit ging Nassic dem Steinhausen verloren. Unter diesem Verlust litt meine Mutter Kalina arg. Sie war unzufrieden mit nur einem Sohn. Viele Male stieg sie hinauf zum Heiligtum, um meinem Vater ihre Liebe zu schenken und ihn um die seine zu bitten. Stets kam sie in Bedrückung und Tränen zurück. Ich fürchte ...« Bekümmert schwieg er für einen Moment. »Ich fürchte, sie hat sich in der Hoffnung auf Marid gestürzt, sie werde sterben.«
Allmählich schweifte Covenants Aufmerksamkeit ab. Er war zu schwach, um sich länger konzentrieren zu können. Beiläufig bemerkte er den veränderten Stand der Sonne. Die Mittagszeit war angebrochen, und nur ein paar Zentimeter trennte das glutheiße Sonnenlicht von den Füßen seiner ausgestreckten Beine. Ungefähr zur Mitte des Nachmittags würde der Schatten völlig verschwunden sein. Bis zum Mittnachmittag ... Er konnte es unmöglich lange lebend überstehen, noch einmal der vollen Sonnenhitze ausgesetzt zu sein.
Das dunkle Gebilde, an dem sie in der Nähe der Felsplatte vorbeigekommen waren, befand sich noch immer dort. Anscheinend handelte es sich nicht bloß um eine Luftspiegelung. Covenant blinzelte hinüber, versuchte Einzelheiten zu erkennen. Wenn es keine Spiegelung war, was dann? Ein Busch? Welche Art von Busch sollte diese Sonne aushalten können, während sie jede andere Form von Leben praktisch weggebrannt hatte? Diese Frage fand in seinem Gedächtnis Widerhall, doch er konnte ihn nicht klar verstehen. Erschöpfung und Durst hatten seinen Geist abgestumpft. »Sterben?« Er merkte selbst kaum, daß er laut gesprochen hatte. Seine Stimme fühlte sich an, als reibe man Sand an Stein. Welche Art ... ? Er rang darum, seinem Blick einen Fokus zu geben. »Der Busch.« Matt nickte er in die Richtung des dunklen Flecks. »Was ist das?«
Sunder verkniff die Augen. »Ein Aliantha -Strauch. Solche Sträucher kann man überall finden, doch beim Fluß sind sie am häufigsten. Auf irgendeine Weise vermögen sie dem Sonnenübel zu widerstehen. Die Beeren enthalten ein überaus tödliches Gift.« Damit gedachte er offenbar von dem Thema abzulassen.
»Gift?« Schmerz spaltete Covenants Lippen; die Heftigkeit seines Ausrufs hatte sie aufspringen lassen. Blut begann durch den Staub in seinem Gesicht zu rinnen, als habe ein Ausbruch von Wut ihm das Kinn gespalten. Doch nicht die Aliantha! Sunder hob eine Hand an Covenants Gesicht, als wären die verdreckten roten Tropfen eine Kostbarkeit. Bestärkt durch Erinnerungen, schlug Covenant die Hand des Steinmeisters beiseite. »Gift?« krächzte er. Bei früheren Gelegenheiten hatte die einmalige Nahrhaftigkeit der Aliantha ihn häufiger, als er sich entsinnen konnte, durch schwierige Situationen gebracht. Wenn sie giftig geworden waren ...! Schlagartig schwindelte ihm vor Grimm und Aufgewühltheit. Wenn sie
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