Das verwunschene Tal
er tat. Etwas trieb ihn, und solange der Drang nicht erloschen war, so lange malte und zeichnete er, was seinem verwirrten Verstand eben einfiel.
Ab und zu kam ein leises Lallen aus dem Mund des Knaben. Das Lächeln, das sein Gesicht überzog, war eine Grimasse. Hester hörte auch nicht die harten Schritte vor der Tür, die von mehreren Männern stammten. Aber die Frau hob den Kopf und hörte angstvoll zu nähen auf.
Die Tür flog auf. Der Dämonenpriester Feithearn kam herein, als sei er König Carnen. Hinter ihm schoben sich selbstbewusst fünf Caer in den Raum. Sie waren in voller Rüstung und schwer bewaffnet. Hester hob den Kopf über das Pult und fuhr fort, schwarze Schatten zu malen. Er stieß ein kurzes Kichern aus. Feithearn, der nur seinen Mantel, nicht aber Handschuhe und Helm trug, schnippte mit den Fingern und deutete auf Swite.
»Hinaus! Ich habe mit Hester zu reden.«
Schweigend gehorchte die Frau. Sie huschte verschreckt hinaus, sich an den Kriegern vorbeidrückend. Krachend warf ein Caer die Tür zu. Feithearn umrundete langsam den Tisch und warf einen langen Blick auf das unfertige Bild. Das Licht vieler Öllampen spiegelte sich in der Schicht über dem unmenschlichen Gesicht, die wie bewegliches Glas wirkte, wie ein Mineral aus der Tiefe der Welt. Aus den unergründlichen Augen sprach dämonische Macht, als sich der junge Priester an Hester wandte.
Seine Stimme war nur scheinbar sanft; hinter jedem Wort lauerte die Schärfe eines Peitschenhiebs. »Du malst? Gut. Besser, als einen Dolch zu halten.«
Der schwarze Mantel bauschte sich und warf schwere Falten. Die Silberstickerei funkelte strahlend. Hester zwinkerte und richtete seinen Blick auf Feithearn. Er grinste verzerrt.
»Hör zu!«
Hester erschrak; er sah weinerlich drein. Feithearn lehnte sich an eine Tischkante und fuhr fort: »Morgen wirst du mit mir gehen. Ich spreche draußen vor dem Palast. Bei jedem Satz, wenn ich eine Pause mache und dir einen Stoß versetze, musst du nicken. Und versuche zu lachen, auch wenn es dir keiner glaubt. Verstanden?«
Der junge Mann hob eine Schulter, blickte von unten herauf in das maskenhafte Gesicht des Priesters. Es war deutlich, dass sich Hester fürchtete.
Hester nickte und lallte einige kaum verständliche Worte. Es klang, als habe er den Befehl begriffen.
»Wir fahren im Wagen durch die Stadt. Du grüßt nach allen Seiten. Du hebst die Arme. Klar?«
Hester nickte mindestens ein dutzendmal. Er kicherte auf. Nicht einmal Feithearn erkannte, welcher Art dieses hilflose Lachen war. Der Priester hieb mit der flachen Hand auf den Tisch. Die Farbnäpfchen und die Dosen tanzten, blutiges Rot ergoss sich aus einem Becher über das Holz und versickerte in die Risse.
»Morgen mittag! Deine Wärterin wird dich anziehen und füttern. Du wirst im Hof erwartet. Das war's, Königssohn!«
Herrisch winkte Feithearn seinen Soldaten. Sie verließen klirrend und stampfend den Raum. Mit einem sehr seltsamen Blick aus seinem gesunden Auge blickte Hester ihnen nach, bis die schwere Tür wieder zugeschmettert wurde. Dann tunkte Hester einen anderen Pinsel in die rote Farbe. Sie wirkte wie frisches Blut auf dem braunen Holz. Bedächtig fuhr er fort, Farbe auf das Pergament aufzutragen.
*
Der Reiter war ebenso erschöpft und hungrig wie das Pferd. Er hing, von seinem dunklen Mantel bedeckt, schwer in den Steigbügeln. Er näherte sich von Norden der Stadt, und nur seine flinken Augen bewiesen, dass er nicht eingeschlafen war. Das Tier setzte vorsichtig Huf vor Huf. Es waren fast keine Geräusche zu hören, das reifbedeckte Gras dämpfte die Hufschläge, und der Umhang verhinderte das Klirren der Waffen. Ein runder Schild bedeckte den Rücken des schlanken Mannes, der einen einfachen Helm trug. Vor den Nüstern des Pferdes und dem Mund des Reiters stiegen weiße Atemwolken auf.
Eine Hand im schmutzigen schwarzen Handschuh klopfte den Hals des Pferdes. »Nur noch eine letzte Anstrengung!«
Vor dem Reiter lag wie ein riesiges totes Tier die Stadt. Die Mauern ragten dunkel und scheinbar unbezwingbar auf. Der Reiter ließ ein leises, verzweifeltes Lachen hören.
Er lenkte das Pferd nach rechts, und schon gähnte vor ihm der offene Bogen eines zerstörten Tores. Der Reiter zog sein Schwert, hob den Kopf und setzte sich im Sattel zurecht. Dann stieß er einen Zischlaut aus, gab dem müden Tier die Sporen und sprengte in einem holprigen Galopp durch das Tor. Die Hufschläge klapperten unerträglich laut auf dem
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