Das verwunschene Tal
»es wird dunkel. Möglicherweise müssen wir noch außerhalb der Ruine schlafen. Ich schlage vor, wir nutzen den letzten Rest Licht.«
»Ist das beste!« bestätigte Nottr und führte einige blitzschnelle Hiebe gegen einen unsichtbaren Gegner. »Gehen wir.«
Nebeneinander schritten sie auf den Mittelpunkt des verwunschenen Tales zu. Pilze zerplatzten unter ihren Tritten und wirbelten purpurnen Staub in die Höhe. Hin und wieder raschelten die dürren Wedel der Farne über ihren Köpfen. Leichter Nebel bildete sich kniehoch über dem Boden, der unter den Füßen federte. Kein Laut war zu hören außer den Schritten und den Atemzügen. Ab und zu klirrten Waffen oder Rüstungsteile gegeneinander. Mythor nahm seinen Helm ab und hängte ihn an den Gürtel. Die vier Eindringlinge erwarteten, dass sich nach wenigen Augenblicken eine wilde Meute von Tieren auf sie stürzen würde.
Wo war Hester? Und was war in der Ruine wirklich versteckt?
*
Feithearn warf die Peitsche zu Boden und schrie seinen Gefangenen an: »Jetzt wirst du es sagen. Oder müssen wir noch nachhelfen?«
Sein Gefangener war nur einer von einem Dutzend Nyrngorer, die Feithearn ins Schloss hatte bringen lassen. Hier waren sie verhört worden. Feithearn hatte mit der Peitsche und mit Duldamuurs Hilfe die Verhöre abgehalten. Der junge Mann stöhnte, aber er versuchte, nichts zu sagen. Sein Heldenmut war sinnlos. Längst wusste Feithearn alles.
»Ich weiß nicht, wo Hester ist.« Seine Stimme war von Angst verzerrt, Schweiß lief über sein zerschundenes Gesicht.
Mitleidlos fragte der Priester: »Aber du hast ihn gesehen. Ihn und seine, viehische Herde.«
»Ja. In den. Gassen.«
Im Hof des Schlosses und überall dort, wo die Soldaten in geräumten Häusern wohnten, auch im Lager am Hafen, sammelten sich die Reiter. Schwerbewaffnete Soldaten aus jener Schar, die sich während der Belagerung durch besondere Tapferkeit ausgezeichnet hatte. Mit frischen Pferden, die satt und ausgeruht waren. Einhundert Männer waren ausgewählt worden.
»Zu welchem Tor ist er geflohen?«
»Ich hab's nicht gesehen!«
»Aber du weißt es. Welches war's?«
»Nordosttor, haben sie gesagt.«
»Wer?«
»Die anderen. Jeder, der darüber gesprochen hat.«
»Sie haben es alle gesehen?«
»Viele haben's gesehen. Ihn und die Tiere.«
Auch Feithearn, noch immer außer sich vor Zorn und Enttäuschung, hatte Rüstung und Waffen bereitmachen lassen. Noch schmerzte sein Körper von den Bissen der Tiere. Und von dem entsetzlichen Schock, der durch ihn gefahren war, als die Säule auf dem Boden aufschlug und das Loch hineinbrannte.
»Und sie sind zur Stadt hinaus und weg, über das Land, in rasender Eile und durch die Nacht?«
»Man hat es mir. erzählt«, wimmerte der Gefangene, drehte den Kopf zur Seite und verlor das Bewusstsein .
Feithearn stampfte mit dem Fuß auf und sagte, mühsam beherrscht: »Bringt ihn weg! Nein. Werft ihn aus dem Schloss hinaus! Das wird ihn zu sich bringen. Wir reiten. Wir haben schnelle Pferde. Wir werden den Schwachsinnigen bald eingeholt haben.«
Obwohl er Coerl O'Marn fast hasste, wäre es ihm lieber gewesen, den schweigsamen Ritter an seiner Seite zu haben. Er legte die Rüstung an und setzte den Helm auf. Dann schwang er sich in den Sattel und ritt an der Spitze der ersten Gruppe aus dem Schlosshof .
Vor dem Schloss stieß eine zweite Gruppe zu ihnen, an einigen anderen Stellen Nyrngors trafen sie auf weitere. Als sie durch das Nordosttor ritten, schloss sich der letzte Zug Reiterei an. Einhundert Caer-Soldaten und Feithearn galoppierten auf der breiten Spur dahin, die Hesters Tiere hinterlassen hatten. Ihr zu folgen war leicht.
Es ging auch viel schneller, als Hester die Strecke zurückgelegt hatte. Es dauerte nicht lange, und dann erreichten die Caer den Rand des Talkessels. Es war kurz nach Sonnenaufgang .
*
Sadagar schüttelte Laub und die großen Schuppen der Pilzstämme aus seinem Pelz. Sein Magen knurrte, aber er hörte nicht auf ihn. Er rüttelte Mythor, Nottr und zuletzt Kalathee wach und sagte aufgeregt: »Auf die Beine! Die Tiere kommen.«
Sofort lagen die Schwerter in den Fäusten der Männer. Sadagar warf Kalathee einen seiner zwölf Wurfdolche zu. Dann standen sie schweigend da und lauschten. Sie hörten tatsächlich genau die Geräusche, die sie erwarteten. Zwitschern und Krächzen, das aufgeregte Pfeifen der Ratten, knurrende und fauchende Laute kamen aus der Richtung, in die sie in der Finsternis nicht mehr hatten
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