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Das verwunschene Tal

Das verwunschene Tal

Titel: Das verwunschene Tal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Kneifel
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vordringen wollen.
    Mythor knurrte: »Du hast recht. Los. Dort geschieht etwas. Wir müssen es sehen.«
    Sie liefen los, umrundeten die Stämme der Pilze und die Schäfte der Farne. Groß wie Dächer breiteten sich die Kappen der Gewächse aus. Jeder Schritt wirbelte eine Wolke Sporen auf.
    Die Geräusche kamen näher und schwollen an. Aber noch tauchte keiner der tierischen Späher auf. Die Aufregung musste einen anderen Grund haben. Mehr und mehr lichtete sich der Bewuchs. Auch die Strahlen der aufgehenden Sonne, obwohl sie nicht in den Talgrund fielen, schufen zusätzliche Helligkeit. Nach einem kurzen Lauf schoben sich aus dem Unterholz die Umrisse von mächtigen Quadern, die von Moos bedeckt waren. Die Polster schillerten in ungesunden, fahlen Farben, und aus den schmalen Ritzen wuchsen allerlei stachelige Pflanzen.
    Noch immer waren die Geräusche vor den Eindringlingen.
    Die Steine schienen einst von heller Farbe oder gar weiß gewesen zu sein. Wo sie offen lagen, zeigten sie noch die sorgfältige Bearbeitung. Aber schon nach einigen Schritten nach rechts erkannte Mythor einen breiten Riss, der sich nach oben fortsetzte und immer breiter wurde. Das Gebäude, das vom Rand des Tales trotz der Zerstörungen schon kühn und riesengroß gewirkt hatte, sah von hier noch grandioser aus. In seinem Inneren schrien und tobten die Tiere. Mythor winkte. Er hatte die Spur Hesters gesehen und war sicher, dass sie zu einem Eingang führte.
    Das ist nach dem Wasserfall, der Lichtburg und dem Wolkenhorst also die vierte Station des Lichtboten! sagte er sich.
    Aus der zerbrochenen Kuppel, hoch über den Köpfen der vier Fremden, flatterte der riesige Vogelschwarm auf. Tausende von Körpern formierten sich zu einer Wolke. Keines der Tiere beachtete Mythor und dessen Freunde. Sie strichen dicht über den Köpfen der Pilze und der Farne ab und flogen mit allen Zeichen der Aufregung dorthin, wo sowohl Hester als auch Mythor heruntergeklettert waren. Als die Spur eine scharfe Krümmung beschrieb, blieben die Gefährten stehen. In diesem Moment sprangen die Wildkatzen und die Lynxe an ihnen vorbei und verschwanden in gewaltigen Sätzen zwischen den Pilzen.
    »Sie haben es nicht auf uns abgesehen!« sagte Nottr scharf.
    »Wenn nicht auf uns, auf wen dann?« meinte Mythor verwundert.
    Die gesamte Armee des Halbblinden schien an ihnen vorbeizuspringen, zu schleichen und zu trippeln: Ratten, Katzen und Hunde. Dazwischen leuchteten die hellen Felle der großen Katzen und die lohfarbenen der Lynxe.
    »Das kann nur eine Bedeutung haben«, sagte Sadagar misstrauisch . »Die Caer! Feithearn hat Hester verfolgt.«
    »Das ist denkbar«, murmelte Mythor. »Ich glaube, du hast recht.«
    Mythor und seine Begleiter mussten stehenbleiben und warten. Die Tiere strömten an ihnen vorbei und schienen immer wütender zu werden. Endlich riss der Strom ab. Eine einzelne Katze schoss an Nottr und Sadagar vorbei wie ein Blitz. Sie kreischte auf und raste in Zickzacksprüngen zwischen den Pilzen hindurch. Als sie nicht mehr zu sehen war, tobte dort, wo der Hang in den Talboden überging, gewaltiger Lärm auf. Deutlich unterschieden sie laute Kommandos, Waffenklirren und die unterschiedlichen Schreie der Tiere.
    Nottr lachte triumphierend auf und hob das Schwert. »Die Tiere! Wir müssen hin! Die Tiere kämpfen gegen die Caer.«
    Er riss sich den Pelz von den Schultern, warf ihn zu Boden und rannte davon. Mythor und Sadagar wechselten einen schweigenden Blick. Mythor überlegte zwei Atemzüge lang und sagte dann: »Er hat sicher recht. Aber wir befinden uns zwischen den Parteien.« »Trotzdem sollten wir dorthin.«
    Mythor deutete auf Kalathee. »Du wirst dich hier verstecken. Achte darauf, was Hester tut, falls es dir gelingt, ihn zu sehen. Das Tal ist wirklich voller Geheimnisse.«
    »Kommt schnell wieder zurück!« rief Kalathee und umklammerte den Dolch Sadagars.
    Die Männer entledigten sich ebenfalls der hinderlichen Pelze und rannten davon. Sie liefen einfach der Quelle des Lärms nach. Ein erbitterter Kampf schien dort ausgebrochen zu sein.
    *
    Noch kletterten die letzten Caer an Seilen und hastig geknoteten Strickleitern den Abhang hinunter, ununterbrochen belästigt von den versteckten, gnomenhaften Wesen, als die ersten Vögel erschienen. Feithearn erkannte augenblicklich, dass sie es mit Hesters Begleitung zu tun hatten. »Wehrt euch!« schrie er durchdringend. »Schlachtet sie ab!« Er fühlte noch die schmerzenden Wunden der letzten Begegnung.

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