Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das verwunschene Tal

Das verwunschene Tal

Titel: Das verwunschene Tal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Kneifel
Vom Netzwerk:
fragte Kalathee. Hier zwischen den Stämmen der Laub- und Nadelgewächse war es windstill und weitaus weniger kalt als auf der Strecke vor dem Waldrand.
    »Es werden wohl einige Tage werden«, meinte Nottr. »Hoffentlich reichen die Vorräte.«
    »Das Land ist leer. Niemand wohnt hier«, fasste Sadagar seine Beobachtungen zusammen.
    »Du hast recht«, unterstützte ihn Mythor. »Aber ich rechne fest damit, dass Nottrs Pfeile oder deine Wurfmesser uns wieder einen Braten beschaffen. Brennholz gibt es wohl genug.«
    »So ist es.«
    Hinter dem Wald lag ein Sumpfgebiet, dann kamen wieder weite Flächen unberührter Landschaft. Dahinter folgte ein niedriger Wald; ein paar Bachläufe wanden sich durch verwilderte Einöde, und abermals tauchten die traurigen Bäume auf, die auf einzelnen Sumpfinseln wuchsen. Es gab keinen Pfad, aber die Tierkarawane hatte ihre Spur auch hier hinterlassen.
    »Die Vögel und die Späher haben den richtigen Weg gefunden«, meinte Mythor. »So ist Hester durch den Sumpf gekommen, ohne einzusinken.«
    »Und so kommen wir ebenso leicht durch den Sumpf - aber wohin gehen wir?« fragte Kalathee.
    »Ich glaube, das wissen nicht einmal Hesters Spähervögel«, knurrte Nottr.
    Sie folgten den Tieren insgesamt zweieinhalb Tage lang, Tag und Nacht, durch fast jede Art von Landschaft. Der Weg führte nicht geradeaus, sondern folgte den leichtesten Abschnitten des Geländes. Zahllose Hindernisse hatten sich den Tieren und Hester in den Weg gestellt, sie waren umgangen oder überwunden worden. Das also waren die Wildländer von Dandamar - unbewohnt, reich an Wald und, den Abdrücken in den wenigen durchgehenden Schneeflächen nach zu schließen, auch an Wild.
    Und dann, zwischen Mittag und Abend, als Nebel die blutrote Sonnenscheibe zu verhüllen begann, verbreiterten sich die Spuren der Tierarmee nach rechts und links. Vor den Augen der Wanderer öffnete sich ein Tal. Aber der Weg dort hinein war versperrt.
    *
    Mythor nahm alle Einzelheiten des Tales, das unter ihm lag, voller Spannung in sich auf.
    Vor ihm und seinen Freunden, die ebenso staunend dastanden, erstreckte sich ein Wall von dornigen Ranken, ineinander verhakten Zweigen, von Gestrüpp und kleinen Bäumen, die ihre harten Äste abwehrend nach allen Seiten spreizten, von seltsamen, laublosen Pflanzen, die aussahen, als seien sie kunstvoll aus Metall geschmiedet. Baumstämme, riesige Wurzeln mit Knoten darin, faulendes Laub, lange Eiszapfen und jede andere Art von natürlich gewachsenen Hindernissen bildeten, so weit man sehen konnte, einen runden Wall um das gesamte Tal.
    Und noch etwas: Undeutlich erkannten die Wanderer zwischen den trockenen Zweigen die Reste von Gemäuer. Es war uralt und mehr als nur zerbröckelt. Moos wuchs auf den Quadern und den Ziegeln, die sich ebenso stark aufgelöst hatten.
    »Siehst du, was ich sehe?« wandte sich Mythor nachdenklich an Steinmann Sadagar.
    »Ich sehe genau dasselbe. Dieses Tal war vor langer Zeit von einem stattlichen Wall umgeben.«
    Das spitze Gesicht Sadagars schaute unrasiert, schmutzig und übernächtigt aus den verfilzten Haaren der Fellkapuze hervor.
    »Richtig. Und inzwischen ist nicht nur Gras darüber gewachsen«, stellte Mythor fest.
    Das Tal hatte einen Durchmesser von etwa einem Stundenmarsch. Der Wall hinter den Pflanzen war stellenweise stark zerstört; ausgefressene Stellen gab es an vielen Abschnitten der annähernd kreisförmigen Anlage.
    »Irgendwie passt die alte Mauer zur Elvenbrücke«, knurrte Nottr. Als er seinen Arm um Kalathee legen wollte, rückte sie zur Seite.
    Das Tal war voller Bäume und riesiger Gewächse, die wie exotische Pilze aussahen, wenigstens von hier oben aus. Dreißig oder fünfzig Mannslängen ging es, meist senkrecht, zum Talboden hinunter.
    In der Mitte des Tales, halb verborgen und überwuchert, erhoben sich andere Ruinen. Einst schien das Gemäuer eine große, schüsselförmige Kuppel gebildet zu haben. Jetzt war sie eingebrochen; die Rundung wirkte wie die Schale eines zerbrochenen Eis.
    Plötzlich sagte Nottr voller Aufregung: »Das muss es sein!«
    Mythor fuhr herum und starrte ihn an. »Was willst du sagen, Nottr?«
    »Es gibt Legenden und Sagen. Eine Rückenschwester wusste davon. Das muss das verwunschene Tal sein.«
    »Der Name passt zum Tal«, meinte Mythor.
    »Das verwunschene Tal also war das Ziel von Hester«, meinte Nottr.
    »Wahr gesprochen, Sattelbruder«, grinste Sadagar. »Hier haben wir die Spuren. Einige der Hunde liegen sicher mit

Weitere Kostenlose Bücher