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Das verwunschene Tal

Das verwunschene Tal

Titel: Das verwunschene Tal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Kneifel
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zerschmetterten Knochen dort unten.«
    Als erzähle er eine uralte Sage, brummte der Lorvaner: »Im verwunschenen Tal, das östlich von Xanadas Lichtburg zu finden ist, soll vor ewigen Zeiten der letzte Stamm der Königstrolle gehaust haben. Abgeschieden von dem Rest der Welt und den Bewohnern der Wildländer, schmiedeten sie an ihren Legenden. Aber dann holten die eigenen Märchen die Königstrolle ein. Niemand weiß, was aus ihnen geworden ist.«
    »Nicht einmal die verblichene Fahrna!« bestätigte Sadagar voller Grimm.
    Einige Bäume, inzwischen im Schutz des Hanges zu wahren Baumriesen herangewachsen, hatten ihre Wurzeln in die Steine und das wenige Erdreich gekrallt. Der Abstieg wirkte schon von hier halsbrecherisch, und trotzdem hatten es die Tiere und der halb blinde Hester geschafft, dort hinunter zu klettern.
    »Was sagt der Helm der Gerechten?« fragte Kalathee nachdenklich.
    »Er flüstert«, antwortete Mythor ohne Zögern, »dass sich die sagenhaften Tiere, die ich suche, dort unten verstecken. Es zieht mich dorthin. Wollt ihr mir helfen?«
    »Dumme Frage«, sagte Nottr und setzte sein verzerrtes Grinsen auf. »Der Abstieg ist weniger schlimm als der lange Weg hierher.«
    »Da hast du wirklich recht«, pflichtete ihm Mythor bei.
    Noch zögerten sie, aber es blieb ihnen wohl keine andere Wahl. Hochnebel zog auf; auf der anderen Seite des Tales sahen sie schon nicht mehr deutlich das Gestrüpp und den Mauerrest. Die Sonne, eine dunkelrote Scheibe im Nebel, würde bald untergegangen sein. Sie durften nicht mehr länger zögern.
    »Versuchen wir's!«
    »Mir fällt noch etwas ein«, sagte Nottr und zog sein Krummschwert. Er schlug dort, wo die Spuren der Tiere zu erkennen waren, einige Ranken und Äste ab. Auch Mythor hieb mit dem Gläsernen Schwert eine schmale Gasse an einer Stelle, an der der Abstieg leichter zu bewältigen schien.
    »Ja?«
    »Die Wildländer, die auf ihren Zügen weit bis in den Westen vordringen, meiden das Land nahe dem verwunschenen Tal. Sie werden uns nicht angreifen, weil sie nicht hierherkommen.«
    »Eine Sorge weniger«, sagte Steinmann Sadagar zufrieden.
    Sie zerrten die Äste und zerschnittenen Ranken zur Seite. Dann sprang Mythor vorwärts und kämpfte sich durch den schmalen Durchlass hindurch. Unter seinen Tritten zerfielen die Ziegel und das Füllmaterial. Er rutschte aus, stützte sich auf das Schwert und kam an die Kante des Absturzes. Aus einem Baumwipfel, der sich annähernd in gleicher Höhe wie Mythor befand, flogen einige faustgroße dunkle Gegenstände. Sie schlugen wie Steine in das Rankenwerk ein, und zwischen den Zweigen ertönte ein kicherndes Fauchen.
    »Die Königstrolle!« schrie Nottr. »Sie werfen mit Nadelbaumzapfen und trockenen Früchten.«
    »Unsinn!« gab Sadagar zurück und hielt Kalathees Hand. Im Bereich der Pflanzen und Äste war der Abstieg einigermaßen leicht. Aber schon trat der nackte Fels zutage, in dessen Spalten kümmerliche Büsche wurzelten.
    »Achtung! Die Königstrolle haben sicher überall Fallen hinterlassen!« warnte Nottr.
    »Dann müssten auch die Tiere und Hester in die Falle getappt sein«, antwortete Mythor. Er sah überall die Spuren des Abstiegs. Katzenkrallen und Rattenzähne hatten die Rinde von den Ästen und das Moos vom Gestein abgekratzt. Er folgte Schritt um Schritt diesem Weg, griff in Felsritzen und stellte die Füße auf die Wurzeln.
    Eines der seltsamen Geschosse traf seinen Helm und erzeugte ein platschendes Geräusch. Es konnte durchaus so sein, dass die unsichtbar hinter den benadelten Zweigen verborgenen Geschöpfe die späten Nachkommen der Königstrolle waren, aber sie stellten keine Gefahr dar. Sie zielten miserabel.
    »Ist es schwierig?« rief Sadagar von oben herunter.
    »Nicht besonders.«
    Unter Mythors Fingern löste sich ein Stein aus der Wand. Staub rieselte ihm in die Augen und auf die Schultern. Der Stein schlug auf seine Schulter, und der Kletterer schwankte hin und her, an einer Hand hängend. Krachend überschlug sich der uralte Quader in den brechenden Zweigen und polterte abwärts.
    Mythor klammerte sich an eine Wurzel und rief nach oben: »Vorsicht! Haltet euch an den Wurzeln fest. Der Stein ist mürbe.«
    »Schon gemerkt.«
    Hester, so überlegte Mythor, besaß nur ein Auge und hatte sicherlich Schwierigkeiten, die richtigen Handgriffe während einer solch gefährlichen Kletterei zu finden. Trotzdem schien er mitsamt seiner seltsamen Begleitung heil unten im Talkessel angekommen zu sein. Die

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