Das viel zu heiße Spiel
Haar. „Dad hat Walt eingestellt, weil er ihn für perfekt hält. Ich denke anders über ihn.
Darum hat Dad auch Dandy verkauft. Ich habe nicht die Anweisungen des von ihm erwählten Trainers befolgt. Dafür musste ich bestraft werden.” Schaudernd erinnerte sie sich an die Szene vom Vorabend. „Ich will kein anderes Pferd, sondern Fine Dandy.”
„Ach, Schatz.” Ihre Mutter hob zögernd die Hand, als wollte sie Maggie trösten, und ließ sie wieder sinken. „So war das gar nicht. Du hast dich verletzt, und dein Vater sorgt sich um dich. Er möchte, dass du dich auf dein Pferd verlassen kannst.”
Maggie schüttelte ungläubig den Kopf. „Du glaubst das doch nicht ernsthaft? Ich bin schon öfter vom Pferd gefallen. Dad ist nicht … er hat nicht …” Vor Zorn und Schmerz versagte ihr die Stimme. „Ich habe bei dem Sprung den Fehler gemacht, nicht Dandy. Das habe ich Dad auch erklärt, aber er hat mir wie immer nicht zugehört.”
Prompt lief Maggie wieder die Nase. Schniefend öffnete sie den Schrank, um die Reitstiefel herauszuholen. Zwar wusste sie nicht, was sie ohne Pferd damit anfangen sollte, doch sie wollte sie keinesfalls hier lassen. Als sie sich wieder umdrehte, war ihre Mutter verschwunden. Das überraschte sie nicht. Sharon scheute vor jeder Konfrontation zurück wie eine nervöse Stute vor allem, was sich bewegte.
Wie die Mutter, so die Tochter, dachte Maggie und sah sich nach ihrer Handtasche um. Die war allerdings auch verschwunden.
Das war doch unmöglich. Sie hatte vorhin das Adressbuch hineingelegt. Maggie stellte die Stiefel auf den Boden und machte sich auf die Suche, weil sie an die einzig logische Erklärung nicht glauben wollte.
Ihr Zimmer war ordentlich aufgeräumt. Ein Blick in den Schrank und einer unters Bett genügten, um zu bestätigen, was sie bereits geahnt hatte.
Ihre Mutter hatte die Tasche mitgenommen.
Maggie schniefte immer heftiger. Was für eine alberne und noch dazu sinnlose Tat.
Glaubte ihre Mutter denn, sie auf diese Weise zurückhalten zu können? Doch Sharon Stewart hatte sich noch nie durchsetzen können. Sie war sanft und nett, aber schwach. Das wurde besonders dann deutlich, wenn es darum ging, ihrer Tochter gegen Malcolm Stewart den Rücken zu stärken.
Maggie brauchte die Handtasche, in der die Wagenschlüssel, ihr Ausweis, die Kreditkarten und ihr Bargeld steckten. Das alles war nötig, konnte aber ersetzt werden. Andere Dinge dagegen waren unersetzlich - ihre liebste Halskette, das Schweizer Armeemesser, das ihr Bruder ihr zu ihrem achtzehnten Geburtstag geschenkt hatte, Fotos, ihr High-School- Ring, ihr Adressbuch und ihr Tagebuch!
Du lieber Himmel! Das Tagebuch steckte in der Handtasche.
Maggie sprang auf. Sharon mochte stets zu ihrem Mann halten, doch diesmal wollte Maggie ihr zeigen, dass sie mit diesem Verhalten ihre Tochter verriet. Sie zog die Fliegerjacke aus knautschigem Leder an, die sie vor Jahren in einem Bekleidungsgeschäft für Männer gekauft hatte. Ihre Mutter hasste die Jacke. Danach nahm sie den Koffer und zog ihn auf seinen Rollen hinter sich her.
Die breite Freitreppe ins Erdgeschoss hinunter hätte ohne weiteres in den Film „Vom Winde verweht” gepasst. Ölgemälde in vergoldeten Rahmen hingen an cremefarbenen Wänden. Maggie achtete nicht darauf und spürte auch nicht, wie hart der Koffer an ihrer Hand ruckte, als sie ihn die Treppe hinunterzerrte. Zorn trieb sie an.
Sie hatte die Hälfte der Treppe zurückgelegt, als sie ihre Mut ter in der Diele sprechen hörte. Von dem Besucher sah sie nur die Cowboystiefel.
Er konnte kein Spendensammler sein. Derartige Dinge wurden an die Familie Stewart wesentlich dezenter herangetragen. Ein Kongressabgeordneter deutete nach dem Abendessen an, dass er Spenden für den Wahlkampf brauchte. Oder die Frau eines Firmenchefs bemerkte beim Cocktail, dass sie für einen wohltätigen Zweck sammelte. In diesem Haus unterhielt man sich ge dämpft beim Tee und auf eleganten Partys. Leben und Herzen wurden leise und höflich zerstört beziehungsweise gebrochen.
Maggie stockte nur kurz. Diesmal war sie bereit, ihrem Ärger freien Lauf zu lassen. Dann würde es eben einen rüden Streit vor fremden Leuten geben.
„Meinst du nicht, Mom”, rief sie, während sie den Koffer mühsam hinter sich her bugsierte, „dass ich für Stubenarrest schon etwas zu alt bin?”
„Margaret, bitte”, erwiderte Sharon gepresst. „Darüber unterhalten wir uns später.”
„Nein, nicht später.” Die
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