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Das vielfarbene Land

Das vielfarbene Land

Titel: Das vielfarbene Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian May
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für ihn tun könne, ein Segen, die Erfüllung eines Traums von Arkadien, der früher unmöglich zu realisieren gewesen wäre. Er begehe keinen Selbstmord, er fange lediglich ein neues, ruhigeres Leben an. Aber wenn sie ihm seine Bitte abschlüge, ließe ihm seine Seelenqual nur die schreckliche Alternative. und da war das Geld ...
    »C'est entendu«, sagte Madame schließlich. »Bitte, kommen Sie mit mir!«
    Sie führte ihn in den Keller hinunter und schaltete das Licht ein. Da stand das Gazebo mit seinen Kabeln, genau wie der arme Theo es zurückgelassen hatte. Der Dichter eilte mit einem Freudenschrei auf den Apparat zu. Tränen rannen ihm über die runden Wangen.
    »Endlich!«
    Die Dackelhündin trottete ihrem Herrn gemächlich nach. Madame nahm das Bücherpaket und stellte es in den Lattenkäfig.
    »Schnell, Madame! Schnell!« Richter rang in krampfhafter Aufregung die Hände.
    »Hören Sie mir zu!« befahl sie scharf. »Bei Ihrer Ankunft müssen Sie sich sofort aus dem Apparat entfernen. Gehen Sie drei oder vier Meter weit weg und nehmen Sie den Hund mit. Ist das klar? Andernfalls werden sie als Toter zum heutigen Tag zurückgeschleudert und sofort zu Asche zerfallen.«
    »Ich habe verstanden. Vite, Madame, vite. Schnell!«
    Zitternd trat sie an das einfache Kontrollpaneel und aktivierte das Zeitportal. Die spiegelnden Kraftfelder sprangen an, und die Stimme des Dichters verstummte wie bei einer unterbrochenen Fernsehverbindung. Die alte Frau sank auf die Knie und betete dreimal den Englischen Gruß. Dann stand sie auf und schaltete die Energie ab.
    Die Spiegel verschwanden. Das Gazebo war leer.
    Madame Guderians Lippen entschlüpfte ein tiefer Seufzer. Als sparsame Frau knipste sie die Kellerlampen aus. Dann stieg sie die Treppe hoch. Sie befühlte die kleine blaue Plastikkarte, die sicher in ihrer Tasche steckte.
    Nach Karl Josef Richter kamen weitere.
    Die allererste Schenkung erlaubte es Madame, die Erbschaftssteuer zu bezahlen und alle ihre anderen Schulden loszuwerden. Ein paar Monate später, nachdem ihr Verstand durch die Ankunft weiterer Besucher den profitbringenden Möglichkeiten des Zeitportals geöffnet worden war, gab sie bekannt, daß sie eine ruhige Herberge für wandernde Touristen einrichte. Sie kaufte Land, das an ihr Häuschen angrenzte, und ließ ein hübsches Gästehaus bauen. Der Rosengarten wurde erweitert, und mehrere ihrer Verwandten wurden dazu verpflichtet, ihr bei den häuslichen Aufgaben zu helfen. Zum Erstaunen der skeptischen Nachbarn prosperierte die Herberge.
    Nicht alle Gäste, die »chez Guderian« betraten, sah man das Haus auch wieder verlassen. Aber das war eine rein akademische Frage, da Madame ohne Ausnahme Bezahlung im voraus verlangte.
    Ein paar Jahre vergingen. Madame unterzog sich der Verjüngung und entwickelte in ihrer zweiten Lebenszeit einen herben Schick. Im Tal unterhalb der Herberge machte auch das älteste städtische Zentrum Frankreichs eine Umwandlung zum Gefälligeren durch, ebenso wie alle Metropolen der Alten Erde in diesen mittleren Jahren des einundzwanzigsten Jahrhunderts. Jede Spur der häßlichen, ökologisch zerstörerischen Technik wurde in der großen Stadt am Zusammenfluß von Rhone und Saone nach und nach ausgemerzt. Notwendige Produktionsstätten, Dienstleistungsund Transportsysteme baute man neu als unterirdische Infrastrukturen. Als die überschüssige Bevölkerung von Lyon zu den Sternen ausgewandert war, entstanden an Stelle der leeren Slums und traurigen Vorstädte Wiesen und Waldreservate, da und dort von Gartendörfern oder gut funktionierenden Wohnkomplexen unterbrochen. Lyons historische Bauten, die jedes Jahrhundert der mehr als 2000 Jahre seiner Lebenszeit repräsentierten, wurden restauriert und wie Edelsteine in angemessener natürlicher Umgebung zur Schau gestellt. Laboratorien, Büros, Hotels und Geschäftshäuser wurden in den restaurierten Gebäuden untergebracht oder so gestaltet, daß ihr Außeres mit den Denkmälern der Nachbarschaft harmonierte. Plaisances und Boulevards ersetzten die scheußlichen Beton-Autobahnen. Vergnügungsviertel, pittoreske Sträßchen mit kleinen Läden und kulturelle Institutionen vervielfachten sich, als die Kolonisten von den fernen Sternen auf der Suche nach ihrem ethnischen Erbe zur Alten Welt zu pilgern begannen.
    Auch andere Sucher kamen nach Lyon. Sie fanden ihren Weg zu der Herberge im westlichen Vorgebirge, jetzt " l 'Auberge du Portail " genannt, wo Madame Guderian persönlich sie

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