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Das vielfarbene Land

Das vielfarbene Land

Titel: Das vielfarbene Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian May
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Chemikalien gedacht.
    Madame tat ihr Äußerstes, um das Sperrgut weiterzubefördern, was wegen des beschränkten Raums in dem Gazebo ungefähr sechs Kubikmeter nicht leicht war. Sie drängte die Reisenden, ihre Hilfsmittel zusammenzulegen, und manchmal folgte man ihrem Rat. (Die Zigeuner, die Mennoniten, die russischen Altgläubigen und die Inuit waren in solchen Sachen besonders geschickt.) Aber in Anbetracht der Wunderlichkeit der Zeitreisenden war zu erwarten, daß viele es vorzogen, von ihren Mitmenschen völlig unabhängig zu sein, während andere praktische Überlegungen beiseiteschoben, um sich ganz romantischen Idealen oder kostbaren Fetischen zu widmen.
    Madame sorgte dafür, daß jede Person die notwendigste Überlebensausrüstung bekam, und außerdem wurden regelmäßig Lieferungen medizinischer Artikel durch das Portal geschickt. Darüber hinaus konnte man sein Vertrauen nur in die Vorsehung setzen.
    Beinahe fünfundsechzig Jahre lang und durch zwei Verjüngungen überwachte Angelique Guderian persönlich die psychosoziale Überprüfung ihrer Klienten und gegebenenfalls ihre Versendung ins Pliozän. Als die mit Gewissensbissen vermischte Habgier der Anfangsjahre schließlich dem Mitgefühl für jene, denen sie diente, gewichen war, wurden die Gebühren für den Transport erschwinglich und oft ganz erlassen. Die Zahl der Bewerber stieg ständig, und es kam zu einer langen Warteliste. An der Wende zum zweiundzwanzigsten Jahrhundert hatten mehr als neunzigtausend Flüchtlinge das Zeitportal in ein unbekanntes Schicksal durchschritten.

    2106 betrat Madame Guderian selbst die "Exil" genannte Pliozän-Welt allein, in ihrer Gartenarbeitskleidung, mit einem einfachen Rucksack und einem Bündel Stecklingen ihrer Lieblingsrosen. Da sie das Standard-Englisch des Milieus als Beleidigung ihres französischen Erbes stets verabscheut hatte, hieß es auf dem Zettel, den sie zurückließ:

    »Plus qu'il n'en faut.«

    Die Menschliche Sektion des Galaktischen Rats war jedoch nicht bereit, dies »Mehr-aIs-genug«-Urteil zu akzeptieren. Offensichtlich erfüllte das Zeitportal seinen Zweck als ruhmreiche Abgangsmöglichkeit für unbequeme Abweichler. Auf humanere und etwas wirksamere Weise organisiert, ging der Betrieb weiter. Für den Service wurde nicht geworben und Hinweise nur diskret professionell gegeben.
    Das ethische Dilemma, ob man Menschen erlauben dürfe, sich selbst ins Pliozän zu exilieren, wurde durch eine wissenschaftliche Studie beigelegt. Sie bestätigte, daß ein Zeit-Paradoxon nicht möglich war. Was das Schicksal der Reisenden anging, so waren sie auf diese oder jene Weise sowieso zum Untergang verurteilt. Sie hatten keinen Einfluß auf die Zukunft.

9
    Auf dem ganzen Weg von Brevon-su-Mirikon zur Erde plante Bryan Grenfell die Art seines Vorgehens. Er würde Mercy von Unst Starport anrufen, sobald er durch die Entgiftungskammer war, und sie erinnern, daß sie einer Segeltour mit ihm zugestimmt hatte. Sie konnten sich am Freitagabend in Cannes treffen. Das ließ ihm genug Zeit, die Konferenzdaten bei der CAS in London abzugeben und ein paar Kleider und das Boot aus seiner Wohnung zu holen. Für die nächsten
    paar Tage war gutes Wetter vorgesehen, so daß sie leicht bis Korsika oder sogar Sardinien segeln konnten.
    In irgendeiner verborgenen Bucht, wenn der Mond das Mittelmeer beschien und leise Musik spielte, würde er ihr Jawort erhalten.
    »Hier spricht Ihr Kapitän. Wir haben noch fünf Minuten bis zum Wiedereintritt in den Normalraum oberhalb des Planeten Erde. Es wird einen Augenblick des Unbehagens geben, wenn wir die Oberfläche des Subraums durchbrechen. Empfindliche Personen mögen darunter leiden. Bitte, zögern Sie nicht, sich an Ihren Flugbegleiter zu wenden, wenn Sie ein Anodyn haben wollen. Denken Sie daran, Ihre Zufriedenheit ist unser oberstes Ziel. Wir danken Ihnen, daß Sie mit United gereist sind.«
    Grenfell beugte sich über das Bordsprechgerät. »Glendassary und Evian.« Als der Drink erschien, stürzte er ihn hinunter, schloß die Augen und dachte an Mercy. Diese traurigen seegrünen Augen, umgeben von dunklen Wimpern. Das zedernholzrote Haar, das ihr blasses Gesicht mit den hohen Wangenknochen umrahmte. Ihr Körper, beinahe so dünn wie der eines Kindes, aber hochgewachsen und elegant in einem langen Gewand, blattgrün mit nachschleppenden dunkleren Bändern. Er hörte ihre wohllautende Stimme wie an dem Abend, als sie nach dem mittelalterlichen Immersionsspiel im Apfelgarten

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