Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das vielfarbene Land

Das vielfarbene Land

Titel: Das vielfarbene Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian May
Vom Netzwerk:
tüchtigen Rechtsanwälten in Lyon gelang es, nachzuweisen, daß das unternehmen kein lokales oder galaktisches Gesetz verletze. Es hatte Genehmigungen als öffentliche Unterkunft, als Transportbetrieb, als psychosozialer Beratungsdienst und als Reisebüro. Danach machten die Regierungsstellen von Zeit zu Zeit einen uberfall mit dem Ziel, die Herberge schließen oder unter Aufsicht stellen zu lassen. Sie hatten nie Erfolg, weil es keinen Präzedenzfall gab ... und außerdem war das Zeitportal nützlich.
    »Ich tue ein Werk der Nächstenliebe«, erklärte Madame Guderian einer Untersuchungskommission. »Es ist eine Arbeit, die noch vor knapp hundert Jahren unverständlich gewesen wäre, aber heute, in diesem galaktischen Zeitalter, ist sie ein Segen. Man braucht nur die Dossiers dieser erbarmungswürdigen Menschen zu studieren, um einzusehen, daß sie in der schnellebigen modernen Welt fehl am Platz sind. Solche Personen hat es immer gegeben, psychosoziale Anachronismen, die nicht in die Epoche paßten, in die sie hineingeboren wurden. Solange es kein Zeitportal gab, hatten sie keine Hoffnung, ihr Schicksal zu ändern.«
    »Sind Sie wirklich so fest überzeugt, Madame«, fragte einer der Beamten, »daß das Zeitportal in eine bessere Welt führt?«
    »Es führt auf jeden Fall in eine andere und einfachere Welt, Bürger Kommissar«, gab sie zurück. »Das scheint meinen Klienten zu genügen.«
    Die Auberge legte sorgfältige Aufzeichnungen über alle nieder, die durch das Portal ins Pliozän reisten. Später wurden diese unterlagen zu einem faszinierenden Futter für Statistiker. Zum Beispiel tendierten die Reisenden dazu, sehr gebildet, intelligent, in gesellschaftlicher Hinsicht unkonventionell und in ästhetischer von geschliffenem Geschmack zu sein. Vor allem waren sie romantisch. Es handelte sich bei ihnen eher um Bürger der Alten Welt als um solche der Kolonialplaneten. Viele der Zeitreisenden hatten sich ihren Lebensunterhalt in akademischen Berufen, als Wissenschaftler, Techniker und in anderen hohen Disziplinen verdient. Eine Analyse der Reisenden nach ethnischer Herkunft ergab wesentliche Anteile von Angelsachsen, Kelten, Germanen, Slawen, Latinern, eingeborenen Amerikanern, Arabern, Türken und anderen zentralasiatischen Völkern sowie Japanern. Es waren wenige afrikanische Schwarze dabei, aber viele Afroamerikaner. Inuit und Polynesier wurden von der Welt des Pliozän angezogen; Chinesen und Indo-Drawiden nicht. Weniger Agnostiker als Gläubige entschlossen sich, die Gegenwart zu verlassen, aber die religiösen Zeitreisenden waren oft Fanatiker oder Konservative, die sich von den modernen religiösen Richtungen enttäuscht fühlten, vor allem von dem Milieu-Gesetz, das revolutionären Sozialismus, Heilige Kriege und jede Art von Theokratie verbot. Viele nichtreligiöse, aber nur wenige orthodoxe Juden erlagen der Versuchung, in die Vergangenheit zu fliehen; eine überproportionale Anzahl von Moslems und Katholiken wollte die Reise machen.
    Die Psychoprofile der Reisenden zeigten, daß ein signifikanter Prozentsatz der Bewerber überdurchschnittlich aggressiv war. Personen, die eine kurze Freiheitsstrafe abgesessen hatten, waren häufige Klienten, doch die größeren Übeltäter zogen offenbar die zeitgenössische Szene vor. Es gab ein geringes, aber stetiges Tröpfeln von Liebenden mit gebrochenen Herzen, sowohl Homophile als auch Heterosexuelle. Wie zu erwarten, waren viele Bewerber narzißtisch und mit ausschweifender Phantasie begabt. Diese Leute waren imstande, verkleidet in der Herberge zu erscheinen, als Tarzan oder Robinson Crusoe oder Pocahontas oder Rima oder in sonst einem Kostüm aus jeder vorstellbaren Ära und Kultur der Alten Welt.
    Einige statteten sich wie Richter mit spartanischem Pragmatismus für die Reise aus. Andere wollten »Einsame-Insel-Schätze« mitnehmen, zum Beispiel ganze Bibliotheken aus altmodischen Papierbüchern, Musikinstrumente und Aufnahmen, umfangreiche Waffenarsenale oder Garderobenbestände. Praktischer Veranlagte brachten Haustiere, Saatgut und Werkzeuge zur Errichtung einer Heimstätte im Stil der Schweizer Familie Robinson mit. Sammler und Naturforscher kamen mit ihren Ausrüstungen. Schriftsteller statteten sich mit Gänsefedern und großen Flaschen Sepiatinte aus oder mit den neuesten Stimmschreibern, einigen Ries Durofilm-Blättern und Buchplatten-Übertragungsgeräten. Die frivolen Reisenden hatten vor allem an feste wie flüssige Delikatessen und psychoaktive

Weitere Kostenlose Bücher