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Das vielfarbene Land

Das vielfarbene Land

Titel: Das vielfarbene Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian May
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willkommen hieß.
    In diesen frühen Jahren, als sie das Zeitportal noch als geschäftliches unternehmen betrachtete, stellte Madame einfache Kriterien für ihre Kunden auf. Wer in die Vergangenheit reisen wollte, mußte mindestens zwei Tage in der Herberge verbringen, während sie und ihr Computer bürgerliche Stellung und psychosoziales Profil überprüften. Sie schickte niemanden durch das Portal, der auf der Flucht vor der Justiz war, eine ernsthafte geistige Zerrüttung verriet oder noch keine achtundzwanzig Jahre zählte (denn der große Schritt verlangte volle Reife). Sie erlaubte niemandem, moderne Waffen oder Zwangsmittel ins Pliozän mitzunehmen. Nur die einfachsten mit Solarenergie betriebenen oder versiegelten Maschinen waren gestattet. Personen, die offensichtlich nicht auf das Überleben in einer urtümlichen Wildnis vorbereitet waren, wurden mit dem Rat weggeschickt, wiederzukommen, sobald sie sich die notwendigen Fähigkeiten angeeignet hätten.
    Nachdem Madame gründlich über die Sache nachgedacht hatte, stellte sie eine weitere Bedingung für weibliche Kandidaten. Sie mußten auf ihre Fruchtbarkeit verzichten.
    »Attendez!« pflegte sie die sprachlosen weiblichen Reisenden in ihrer unverfälschten gallischen Art anzufahren. »Führen Sie sich einmal das unausweichliche Geschick der Frau in einer primitiven Welt vor Augen. Ihre Bestimmung ist, Kind auf Kind zu gebären, bis ihr Körper verbraucht ist, und sich während dieser ganzen Zeit den Launen ihres Herrn und Gebieters zu unterwerfen. Sicher, wir modernen Frauen haben vollständige Kontrolle über unseren Körper und können uns vor Gewalttätigkeit schützen. Aber was soll aus den Töchtern werden, die Ihnen in der alten Epoche geboren werden mögen? Die Mittel, mit denen Sie Ihre Freiheit vom Kinderkriegen an die nächste Generation weitergeben könnten, stehen Ihnen dort nicht zur Verfügung. und mit der Rückkehr der alten biologischen Zwänge geht Hand in Hand die Rückkehr zur alten unterwürfigen Geisteshaltung. Sobald Ihre Töchter reif sind, werden sie ganz bestimmt versklavt. Möchten Sie ein geliebtes Kind einem solchen Leben überantworten?«
    Dann war da noch die Sache mit dem Paradoxon.
    Die Vorstellung, daß Zeitreisende die gegenwärtige Welt durch ihre Einmischung in die Vergangenheit zerstören könnten, hatte Madame Guderian viele Wochen nach Karl Josef Richters Abreise schwere Sorgen bereitet. Dann war sie zu dem Schluß gekommen, ein solches Paradoxon müsse unmöglich sein, da die Vergangenheit bereits in der Gegenwart manifest ist und das Kontinuum in den liebenden Händen von le bon dieu ruht.
    Andererseits sollte man kein Risiko eingehen.
    Menschliche Wesen, auch wenn es sich um die verjüngten und hochgebildeten Leute des rassenverbindenden Galaktischen Zeitalters handelte, konnten auf das Pliozän oder die ihm folgenden Perioden wenig Einwirkung haben, wenn sie daran gehindert wurden, sich fortzupflanzen. Abgesehen von dem sozialen Vorteil für weibliche Reisende war das für Madame ein Grund mehr, den Verzicht auf Mutterschaft zu einer Bedingung für den Transport zu machen.
    Protestierte eine der Frauen, antwortete sie: »Natürlich ist es unfair, natürlich opfern Sie damit einen Teil Ihrer weiblichen Natur. Glauben Sie, das verstehe ich nicht? Ich, der zwei liebe Kinder gestorben sind, ehe sie das Erwachsenenalter erreichten? Aber Sie müssen akzeptieren, daß die Welt, die Sie betreten wollen, keine Welt des Lebens ist. Es ist ein Zufluchtsort für Menschen, die sich nicht anpassen können, ein Todesersatz, ein Zurückweisen der normalen menschlichen Bestimmung. Ainsi, wenn Sie in dieses Exil reisen, haben Sie allein die Konsequenzen zu tragen. Ist die Kraft des Lebens immer noch in Ihnen mächtig, dann sollten Sie hierbleiben. Nur jene, die in dieser gegenwärtigen Welt aller Freuden beraubt worden sind, mögen Zuflucht in den Schatten der Vergangenheit finden.«
    Nach dieser ernsten Ansprache pflegten die Bewerberinnen nachzudenken und schließlich zuzustimmen oder die Auberge auf Nimmerwiedersehen zu verlassen. Die Zahl der männlichen Zeitreisenden stand zu der der weiblichen fast im Verhältnis vier zu eins. Das überraschte Madame nicht sehr.
    Etwa drei Jahre, nachdem die Auberge du Portail ihren Betrieb aufgenommen hatte, nahmen die örtlichen Behörden das Vorhandensein des Zeitportals zur Kenntnis. Anlaß war ein unglücklicher Vorfall in Zusammenhang mit einem abgewiesenen Kandidaten. Aber Madames

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