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Das vielfarbene Land

Das vielfarbene Land

Titel: Das vielfarbene Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian May
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fast genau nördlichen Kurs befanden, dann mußte der Polarstern unter Berücksichtigung des Plateau-Verlaufs irgendwo halbwegs zwischen dem Horizont und dem Zenit ... da.
    Er hatte im Fort zwei gerade Zweige vom Boden aufgelesen und band sie jetzt mit einem Haar aus der Mähne seines Reittiers zu einem Kreuzvisier zusammen. Jeder Zweig war doppelt so lang wie seine Hand. Hoffentlich war das Feld nicht zu begrenzt.
    Er rückte sich im Sattel zurecht, um die Auswirkungen des schaukelnden Trabs so gering wie möglich zu halten, und rief sich die Konstellationen ins Gedächtnis zurück, die ungefähr zirkumpolar sein mußten. Dann hielt er sein Visier auf Armeslänge von sich ab, richtete die senkrechte Achse nach dem geraden Pfad vor ihm aus (analog zwei aufrechtstehenden Chaliko-Ohren) und zentrierte das Instrument auf einen wahrscheinlichen Stern, den er als ersten Versuch auswählte. Sorgfältig stellte er die Positionen von fünf anderen hellen Sternen innerhalb der Quadranten seines Visiers fest und entspannte sich dann. Drei Stunden später, wenn diese sechs Sterne aufgrund der Erdrotation ihre Position scheinbar ein wenig verändert hatten, wollte er die nächste Bestimmung durchführen. Sein fast photographisches Gedächtnis würde die Winkel innerhalb des Visierfeldes vergleichen, und mit etwas Glück konnte er dann die imaginäre Radnabe am Himmel festlegen, um die sich alle diese Sterne drehten. Die Radnabe war der Pol. Vielleicht saß darauf oder in seiner Nähe ein Stern, den man den Polarstem nennen konnte, vielleicht auch nicht.
    Er nahm sich vor, sein Kreuzvisier alle zwei Stunden von neuem auf diesen Punkt am Himmel zu zentrieren und die Position des Pols noch vor der Morgendämmerung zu verifizieren. Wenn das nicht klappte, mußte er die Überprüfung morgen nacht vornehmen und eine lange Zwischenpause für ein Maximum an Rotation lassen.
    Richard stellte den Wecker seines Annbandchronometers auf 0030 und war froh, daß er dem Impuls nicht gefolgt war das Ding in Madame Guderians Rosengarten fortzuwerfen. Das war an jenem regnerischen Morgen gewesen, als er sein Universum für immer verließ ...
    ... vor noch nicht einmal zwanzig Stunden.

10
    Obwohl Creyn ihn teilweise auf den Anblick vorbereitet hatte, wurde Bryan von der Wirklichkeit der am Fluß gelegenen Stadt Roniah beinahe überwältigt. Die Gruppe von Reitern wand sich durch einen dunklen Hohlweg, wo die Fackeln der Wächter einen schmalen, in den braungelben Sandstein eingeschnittenen Pfad kaum erhellten, und da lag die Stadt plötzlich vor ihnen. Sie kamen auf einer Erhebung hinaus, die den Zusammenfluß von Saone und Rhone überblickte, und sahen die Stadt unten am westlichen Ufer, genau südlich des Dreiecks bewaldeter Klippen, wo die beiden großen Flüsse sich vereinigten.
    Roniah war auf einem am Wasser gelegenen Abhang erbaut. um den Fuß des Hügels wand sich ein Erdwall, der von einer dicken, bewehrten Mauer gekrönt war. Auf der ganzen Krone glitzerten auf kleinem Raum gehaltene Feuerchen wie verschwenderische Schnüre orangefarbener Perlen. Hohe, viereckige Wachtürme erhoben sich etwa alle hundert Meter aus der Mauer, und auch ihre umrisse wurden von feurigen Punkten nachgezeichnet. Sie liefen entlang der mit Schießscharten versehenen Wehrgänge, rings um die Fenster und sogar die Ecken und Kanten der Mauern hinauf und hinunter. Bei einem massigen Stadttor war fast jede Einzelheit der Konstruktion durch Lämpchen hervorgehoben. Zu dem Tor führte ein Säulengang von einem halben Kilometer Länge. Oben auf jeder Säule flammte eine hohe Fackel. Der Weg in der Mitte wurde von flimmernden geometrischen Mustern flankiert, die von Lampen umgrenzte Rasenstreifen oder Teppichbeete sein mochten.
    Vom Aussichtspunkt der Karawane oberhalb der St adt sah Bryan, daß es in Roniah nicht an Platz mangelte. Die meist kleinen Häuser lagen an breiten, s ich windenden Straßen. Mitternacht war längst vorbei, und so zeigten die Wohnungen fast keine Lichter mehr. Aber die Kanten der Dächer waren mit Lichtpünktchen besetzt, und die Balustraden vor den Häusern waren ebenfalls von Tausenden akkurat aufgereihter Lampen illuminiert. Näher am Flußufer lag eine Anzahl größerer Gebäude mit schlanken Türmen unterschiedlicher Höhe. Ihre Mauern und Hauptlinien waren ebenso kunstvoll mit Licht silhouettiert wie das Stadttor aber statt im Orange von Öllampen glühten die Fassaden in Blau, Hellgrün, Aquamarin und Bernstein. In vielen Türmen waren

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