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Das vierte Opfer - Roman

Das vierte Opfer - Roman

Titel: Das vierte Opfer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H kan Nesser
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beugte sich hinunter und begutachtete das fleckige Gras.
    »Kennst du Heliogabalus?« fragte er.
    »Der mit dem Blut im Gras?«
    »Ja, Römischer Kaiser von 218 bis 222. Hat Leute umbringen lassen, weil ihm das Rot auf dem Grün so gut gefiel. Ein Ästhet, zweifellos, und unbestechlich... obwohl das nicht besonders gut die Farbe hält, das Blut...«
    »Nein«, bestätigte Bausen. »Kaum das richtige Motiv für unseren Fall hier. Am Mittwoch abend muß es hier stockfinster gewesen sein. Zwei Lampen sind kaputt.«
    »Mm«, sagte Van Veeteren. »Dann schreiben wir Heliogabalus ab. Immer schön, einen Namen von der Liste streichen zu können...«
    Offensichtlich mußte Bang unten am Hafen eine Art Absperrung errichtet haben, da sie bereits seit fast zehn Minuten ungestört waren. Bausen sah auf die Uhr.
    »Halb fünf«, sagte er. »Ich habe einen Lammbraten im Kühlschrank. Muß nur noch in den Ofen... was meinst du?«

    Van Veeteren zögerte.
    »Wenn du mir vorher noch ein paar Stunden im Hotel einräumst.«
    »Selbstverständlich«, sagte Bausen. »Dann so gegen sieben. Ich hoffe, wir können draußen sitzen.«

9
    Beate Moerk kletterte in die Badewanne und machte das Licht aus. Sie ließ sich von dem heißen Wasser umspülen und stellte sich vor, sie läge in einer Gebärmutter. Das war ein immer wiederkehrender Gedanke. Es bedeutete sicher irgend etwas.
    Sie strich sich über Taille und Hüften. Offensichtlich hielt sie ihr Gewicht. Siebenundfünfzigeinhalb. Sie war acht Kilometer gelaufen, und die letzten beiden waren schnell bewältigt gewesen. Zwar gab es Leute, die behaupteten, daß die Fettverbrennung dann am effektivsten ist, wenn man in einem gleichmäßigen Takt lief, aber verdammt noch mal, man mußte doch wohl ein paar Gramm extra verlieren, wenn man sich ordentlich anstrengte?
    Genug der Eitelkeit. Sie lehnte den Kopf an den Wannenrand und erlaubte der Müdigkeit, sich in ihrem Körper auszubreiten. Ich bin einunddreißig, dachte sie. Ich bin ein einunddreißigjähriger, weiblicher Bulle. Ohne Mann. Ohne Kinder. Ohne Familie, Haus und Boot...
    Das war auch so ein immer wiederkehrender Gedanke. Haus und Boot, darauf konnte sie gern verzichten. Ohne Mann zu leben, konnte sie sich auch vorstellen, zumindest im Augenblick. Das mit dem Kind war schlimmer. Viel, viel schlimmer.
    Es war ganz einfach eine Frage von anderem Gewicht. Vielleicht wollte sie auch nur ihren früheren Liebhaber aus dem Kopf kriegen, wenn sie sich das von der Gebärmutter dachte. Wer weiß? Von ihren sieben, acht besten Freundinnen aus der Jugendzeit hatten mindestens fünf, sechs sich inzwischen Kinder
angeschafft, das wußte sie. Männer und Boote übrigens auch. Nur ein Glück, daß sie nicht mehr in Friesen wohnte. Natürlich hing das miteinander zusammen. Es wäre unvermeidbar gewesen, wenn sie immer noch dort leben würde. Ihre Selbständigkeit und ihr freies Leben wären dahin gewesen ... verbraucht wie ein benutztes Kondom. Die Eltern, die Kindheitssünden und die Fehlentscheidungen ihrer Jugend stünden ihr wie ein Kastenzeichen auf der Stirn. Wie eine unveränderliche und umfassende Warendeklaration! Nie im Leben, dachte sie.
    Und dennoch. Früher oder später wollte sie ein Kind haben, früher oder später wollte sie eine Beziehung eingehen, das wußte sie. Sie wußte das jetzt bereits seit einigen Jahren, aber an jedem Geburtstag, der auch noch passenderweise Anfang Januar lag, pflegte sie sich noch ein Jahr Aufschub zu gewähren. Zwölf Monate Moratorium, dachte sie dann immer. Noch eine Runde. Das war kein schlechtes Geburtstagsgeschenk, und beim nächsten Mal stand es immer noch auf der Wunschliste...
    Sie tastete nach der Seife und wechselte das Thema. Das hier war absolut der falsche Zeitpunkt, um über Mann oder Kind nachzudenken... Außerdem war es ja wohl so, daß sich weibliche Polizeibeamte eigentlich nur mit männlichen Polizeibeamten verheiraten konnten, und da war die Auswahl logischerweise erheblich eingeschränkt! Sie begann sich die Brust einzuseifen – immer noch fest und straff; noch so ein immer wiederkehrender Gedanke: daß sie ihren Busen eines Tages nicht mehr würde leiden können, ihren ganzen Körper, aber das war natürlich so ein Trauma, das sie mit allen Frauen teilte. Eine der Bedingungen des Lebens, in die man sich wohl fügen mußte... Kropke und Mooser waren übrigens beide verheiratet. Gott sei Dank. Aber sie wollte eigentlich keinem der beiden heute abend ihre Gedanken widmen. Warum auch?

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