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Das vierte Opfer - Roman

Das vierte Opfer - Roman

Titel: Das vierte Opfer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H kan Nesser
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früher oder später würde jemand auftauchen... ein Mann oder eine Frau, der oder die ihn gesehen hatte. Der natürlich nicht wußte, daß es der Mörder gewesen war, aber der ihn nichtsdestotrotz gesehen hatte und jetzt darüber etwas sagen konnte. Der ihm direkt ins Gesicht gesehen hatte, der ihn vielleicht – gegrüßt hatte?
    So war es. Sie machte das Licht wieder an. In ein paar Tagen würde sich der Name des Henkers in der Menge der vielen unbedeutenden Aussagen eingeschlichen haben, und keiner würde wissen, welcher es war, und es gab keine Methode, den richtigen herauszufischen... Oder würde es sich lohnen, sie alle einzeln durchzukauen? Würde das jemand als der Mühe wert ansehen? Kropke?

    Scheiße! dachte sie. Ein typischer Fall für Kropke. Dann konnte sie sich eigentlich gleich geschlagen geben...
    Aber es mußte doch irgendwelche Abkürzungen geben?
    Schummelzettel. Eselsbrücken. Ein Schritt quer durch das Meer uninteressanter Informationen? Irgend so etwas mußte es geben.
    Wie lautete also die Frage, die sie auf die nächste Seite schreiben und vierfach unterstreichen konnte?
    Sie stand schon da.
    Verbindung??? stand da. Sie starrte sie eine Weile an. Dann zeichnete sie ein Dreieck. Schrieb die Namen Eggers und Simmel in zwei Ecken. Zögerte eine Weile, bis sie den Henker in die dritte kritzelte. Betrachtete das Bild.
    Was mache ich hier eigentlich? kam ihr in den Sinn. Was ist das für ein Quatsch? Was für ein Kinderkram!
    Aber die Zeichnung sah zweifellos beeindruckend aus. Wenn ich einen Computer hätte, dachte sie, bräuchte ich nur Simmel in die eine Spalte und Eggers in die andere einzutippen... und in dem Muster, das dann den Schirm herunterrollen würde, würde früher oder später ein Punkt auftauchen, ein Linienbündel, das irgend etwas Lesbares ergeben würde. Aus dem Wirrwarr, dem Gitter oder wie man das nun nannte, würde ein Name hervortreten, und das wäre der Name des Henkers. So einfach würde das sein!
    Verdammt, dachte Beate Moerk. Jetzt fange ich schon an zu spinnen! Wenn es etwas gibt, wovon ich auf dieser Welt absolut keine Ahnung habe, dann sind es Computer.
    Sie klappte die Hefte zu. Sah auf der Uhr, daß es zu spät geworden war für den italienischen Film im Fernsehen, den sie ja sowieso nicht hatte sehen wollen... nein, das Quantitative war nicht ihre Methode. Nicht dieses mühselige Durchdreschen eines Heuhaufens nach dem anderen, dazu eignete Kropke sich besser, zusammen mit Mooser und Bang. Hier waren andere Dinge gefragt.
    Sie hob wieder ihren Blick, gerade rechtzeitig, um zu sehen,
wie die Mondscheibe in ihr Fensterrechteck glitt. Ganz rund... Juno! Das war ein Zeichen, ganz klar. Hier galten andere Voraussetzungen. Andere Bedingungen. Intuition! Die Frau! Nicht diese verfluchte linke Gehirnhälfte! Yin, nicht Yang! Sie merkte, daß sie den Mond anlachte... Ich bin doch wirklich zu komisch, dachte sie plötzlich. Eine verfluchte Närrin! Es wird Zeit, daß ich ins Bett gehe. Zweifellos. Nur gut, daß keiner weiß, wozu ich mein Gehirn benutze. Der reine Mißbrauch!
    Sie stand auf und ging auf den Flur. Ließ den Bademantel heruntergleiten und blieb eine Weile vor dem Spiegel stehen. Eigentlich gar nicht so schlecht, dachte sie. Könnte glatt für fünfundzwanzig, sechsundzwanzig durchgehen. Schade, daß kein Kerl im Bett liegt.
    Aber als sie eine Viertelstunde später einschlief, kamen ihr aus dem Dunkel nur imaginäre Bilder des Mörders entgegen. Soweit imaginäre Bilder überhaupt existieren.
    Der Henker?
    Konnte man überhaupt sicher sein, daß es sich wirklich um einen Mann handelte?
    Die Frage stellte sich ihr gerade in dem Moment, als sie die letzten Barrikaden aufgab und sich der grenzenlosen Fürsorge des Schlafs überließ, und inwieweit Wundermaas diese Frage zu den ergiebigen Heuhaufen zählen würde oder nicht, das zu bedenken, blieb ihr keine Zeit mehr.

10
    »Manchmal kommt mir doch der Gedanke, daß es eine lenkende Hand hinter allem gibt, trotz allem«, sagte Bausen, während er Van Veeteren ein Glas reichte.
    »Gottes Finger?«
    »Oder der eines anderen. Prost! Der hier ist leicht, ich will deine Geschmacksknospen nicht ruinieren. Ich denke, die edlen Tropfen heben wir uns für später auf...«

    Sie tranken, und die Rohrstühle knackten auf sympathische Weise. Van Veeteren zündete sich eine Zigarette an. Er hatte klein beigegeben und sich am Kiosk vor dem Hotel eine Packung gekauft. Das war die erste, seit Erich ihn verlassen hatte, also

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