Das vierte Opfer - Roman
Achtung, Herr Dienststellenleiter. Das ist doch wohl das beeindruckendste Zeichen von Zivilisation.«
Bausen gluckste.
»Ganz genau! Vor dir siehst du, womit ich mich in erster Linie nach meiner Pensionierung zu beschäftigen gedenke. Ich habe ausgerechnet, daß es zehn Jahre reichen müßte, wenn ich mich mit drei Flaschen in der Woche begnüge. Und ich glaube nicht, daß ich Lust habe, noch länger dabeizubleiben.«
Van Veeteren nickte. Wie konnte ich das nur versäumen? dachte er. Sobald ich wieder zu Hause bin, muß ich mit dem Graben anfangen! Was natürlich etwas problematisch werden
könnte, da er in einem Mietshaus wohnte, aber vielleicht wäre mit dem Einkaufen schon einmal ein Anfang gemacht. Vielleicht konnte man einen Schrebergarten mieten oder etwas in der Art? Er beschloß, die Sache mit Reinhart oder Dorigues zu besprechen, sobald er wieder zu Hause war.
»Du kannst zwei für uns aussuchen«, sagte Bausen. »Ich denke, wir sollten einen roten und einen weißen nehmen...«
»Mersault«, sagte Van Veeteren. »Weißen Mersault, hast du den?«
»Einige Dutzend, denke ich. Und welchen roten?«
»Das überlasse ich dem Chef der Untersuchung«, erklärte Van Veeteren.
»Meinetwegen, dann schnappe ich mir einen Saint Emilion von 71. Wenn der Herr Hauptkommissar nichts dagegen haben?«
»Werd ich schon runterkriegen«, sagte Van Veeteren.
»Insgesamt ein gelungener Abend«, stellte er zwei Stunden später fest. »Ich wollte, das Leben hätte mehr von dieser Sorte zu bieten – gutes Essen, intelligente Gespräche, erlesene Weine, um nur einiges zu erwähnen, und dann noch dieser Käse.« Er leckte sich die Finger ab und biß in eine Birnenscheibe. »Was bin ich eigentlich schuldig?«
Bausen gluckste zufrieden.
»Hast du immer noch nicht kapiert? Schnapp den Henker, verflucht noch mal, damit ich in Würde altern kann!«
»Ich wußte doch, daß die Sache einen Haken hat«, sagte Van Veeteren.
Bausen verteilte die letzten Tropfen des Bordeaux.
»Immer mit der Ruhe«, sagte er. »Wir genehmigen uns doch noch einen Whiskysoda, um das Ganze abzurunden, oder?«
»Hrrm«, knurrte Van Veeteren. »Vielleicht sollten wir deine Überlegungen lieber vorher durchgehen. Schließlich bist du ja von Anfang an dabeigewesen...«
Sein Gastgeber nickte und lehnte sich im Stuhl zurück, zog
sich die Schuhe aus und legte die Füße auf eine Kiste mit alten Einmachgläsern. Wippte eine Weile mit den Zehen und schien in Gedanken zu versinken.
»Hol’s der Teufel«, sagte er nach einer Minute. »Ich habe so viele Ideen und lose Fäden im Kopf, daß ich nicht einmal weiß, mit welchem ich anfangen soll. Heute habe ich vor allem darüber nachgedacht, ob es wirklich einen Zusammenhang gibt, wenn man alle Fakten betrachtet.«
»Erklär mir das!« forderte Van Veeteren ihn auf.
»Natürlich haben wir es wieder mit dem gleichen Täter zu tun, davon gehe ich schon aus... und sei es auch erst einmal nur der Einfachheit halber. Der gleiche Mörder, die gleiche Methode, die gleiche Waffe. Aber die Verbindung zwischen den Opfern, das ist es, was mir Sorgen macht... ich fürchte, daß wir auf etwas stoßen werden, an dem wir uns dann festbeißen, nur weil wir überhaupt etwas gefunden haben. Daß sie 1988 dieselbe Reise nach Sizilien gemacht haben oder im Oktober 1970 im gleichen Krankenhaus gelegen haben, oder weiß der Teufel was.«
»Die Wege zweier Menschen kreuzen sich immer irgendwann einmal«, sagte Van Veeteren.
»Ja, ungefähr so... und diese Tatsache allein muß noch überhaupt nichts zu bedeuten haben. Das kann etwas bedeuten, muß es aber nicht zwingendermaßen.«
»Vergißt du dabei nicht, daß es drei Spuren sind«, hakte Van Veeteren nach, »die des Mörders auch noch.«
»Doch, doch, natürlich müssen wir nach dieser dritten suchen, wenn wir den Schnittpunkt gefunden haben. Ich habe nur einfach das Gefühl, daß es in diesem Fall hier um etwas anderes geht...«
»Daß Eggers und Simmel nach Gutdünken ausgesucht wurden?«
»Kann sein«, sagte Bausen und starrte in die Dunkelheit.
»Natürlich hat er sich Eggers und Simmel herausgesucht, aber woher wollen wir wissen, ob es wirklich etwas mit den
beiden zu tun gehabt hat? Es kann sich ja um vieles gehandelt haben, sozusagen...«
»Eine Zufallsliste aus dem Telefonbuch?« schlug Van Veeteren vor. »Da gibt es Beispiele, weißt du... Harridge, wenn du dich noch an ihn erinnerst. Er hat einfach die Augen zugemacht und auf zehn Namen im Coventrybezirk
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