Das vierte Protokoll
schicken und es von einem der N-Leute in einem toten Briefkasten deponieren zu lassen, wo der Mann vor Ort es hätte abholen können. Also frage ich mich, warum das nicht gemacht wurde. Und die Antwort lautet schlicht: Ich weiß es nicht.«
»Richtig«, räumte Sir Nigel ein. »Folglich?«
»Folglich kann es, wenn diese Lieferung für sich allein nutzlos ist, nicht dabei bleiben. Nach dem Gesetz der Wahrscheinlichkeit müssen noch weitere Lieferungen kommen. Und sie werden offenbar entweder ahnungslosen Reisenden mitgegeben oder Kurieren, die als harmlose Seeleute oder Gott weiß was sonst auftreten.«
»Und was möchten Sie am liebsten unternehmen?« fragte Sir Nigel.
Preston holte tief Atem.
»Wenn es nach mir ginge«, sagte er betont, »würde ich alle Einreisen aus der Sowjetunion in den vergangenen vierzig, fünfzig, ja sogar hundert Tagen nachträglich überprüfen. Auf einen weiteren Straßenüberfall würde ich wohl kaum stoßen, aber es könnte sich ein anderer Zwischenfall ereignet haben. Wenn nicht, so würde ich die Kontrollen bei allen Einreisenden aus der UdSSR verschärfen, ja sogar aus dem gesamten Ostblock. Möglicherweise könnten wir auf diese Weise eine weitere Lieferung abfangen. Als Chef von C.5. (C) hätte ich das tun können.«
»Und jetzt, glauben Sie, haben Sie diese Möglichkeit nicht mehr?«
Preston schüttelte den Kopf.
»Selbst wenn ich morgen meine Arbeit wieder aufnehmen dürfte, würde man mir mit ziemlicher Sicherheit diesen Fall wegnehmen. Offenbar bin ich ein Panikmacher und Unruhestifter.«
Sir Nigel nickte nachdenklich.
»Grenzüberschreitungen zwischen Dienststellen gelten nicht gerade als feine Lebensart«, sagte er wie zu sich selbst. »Als ich Sie bat, für mich nach Südafrika zu fliegen, hat Sir Bernard seinen Segen dazu gegeben. Später erfuhr ich, diese Abstellung habe, obwohl sie nur kurzfristig war, bei gewissen Stellen in Charles zu - wie soll ich es ausdrücken - Mißhelligkeiten geführt.
Mir liegt wirklich nicht an einem offenen Zerwürfnis mit meinem Schwesterdienst. Andererseits bin ich, gleich Ihnen, der Ansicht, daß an diesem Eisberg mehr dran sein könnte als nur die Spitze. Also, Sie haben noch drei Wochen Urlaub. Wären Sie willens, während dieser Zeit an dem Fall zu arbeiten?«
»Für wen?« fragte Preston verblüfft.
»Für mich«, sagte Sir Nigel. »Ins Sentinel House könnten Sie nicht kommen. Man würde Sie sehen, es würde sich herumsprechen.«
»Wo sollte ich dann arbeiten?«
»Hier«, sagte »C«. »Es ist klein, aber behaglich. Ich bin befugt, genau die gleichen Informationen einzuholen wie Sie, wenn Sie an Ihrem Schreibtisch säßen. Jeder Zwischenfall, in den ein Bürger der Sowjetunion oder eines Ostblockstaats verwickelt ist, wird registriert, entweder schriftlich oder in einem Computer. Da Sie nicht zu den Akten oder zu dem Computer kommen können, sorge ich dafür, daß die Akten und die Computerausdrucke zu Ihnen kommen. Was sagen Sie dazu?«
»Wenn Charles Street dahinterkommt, bin ich in Fünf erledigt«, sagte Preston. Er dachte an sein Gehalt, seine Pension, an die Aussichten, in seinem Alter einen neuen Job zu bekommen; er dachte an Tommy.
»Wie lange, glauben Sie, wird unter der augenblicklichen Leitung noch Ihres Bleibens in Charles sein?« fragte Sir Nigel.
Preston lachte kurz auf.
»Nicht lange«, sagte er. »All right, Sir, ich mach's. Ich möchte an diesem Fall dranbleiben. Da steckt irgend etwas dahinter.«
Sir Nigel nickte anerkennend.
»Sie sind ein hartnäckiger Mensch, John. Ich habe viel für Hartnäckigkeit übrig. Sie macht sich fast immer bezahlt. Kommen Sie Montag um neun hierher. Zwei von meinen eigenen Jungens werden Sie erwarten. Sagen Sie ihnen nur, was Sie haben wollen, und sie werden es Ihnen bringen.«
Am selben Montagvormittag, an dem Preston in Chelsea mit seiner Arbeit anfing, landete der international berühmte tschechische Konzertpianist aus Prag auf dem Flugplatz Heathrow, da er am nächsten Abend ein Konzert in Wigmore Hall geben sollte.
Die Flughafenbehörden waren verständigt worden, und mit Rücksicht auf den hohen Gast wurden die Zoll- und Einreiseformalitäten so schonend wie möglich abgewickelt. Der greise Musiker wurde in der Ankunftshalle von einem Mitarbeiter der Konzertagentur Victor Hochhauser begrüßt und zusammen mit seinem kleinen Gefolge unverzüglich zu seiner Suite im Hotel Cumberland gebracht.
Das Gefolge bestand aus drei Personen: dem Garderobier, der sich
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