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Das vierte Protokoll

Das vierte Protokoll

Titel: Das vierte Protokoll Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
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und seiner Ausbildung entsprach.
    Für die restlichen sieben Sendungen benutzte er einen polnischen Kurier, zwei tschechische (einschließlich Lichka) und vier ostdeutsche. Auch den zehnten Kurier, den Ersatzmann für den toten Kurier Nummer zwei, stellten die Polen. Für die technischen Änderungen, die an zwei Motorfahrzeugen vorgenommen werden mußten, benutzte er sogar eine HVA- eigene Werkstätte in der Bundesrepublik, genau gesagt, in Braunschweig.
    Nur die beiden Russen und der Tscheche Lichka reisten von Städten im Ostblock ab; und nun auch noch der zehnte Mann, der von der polnischen Luftfahrtgesellschaft LOT sein mußte.
    Wolkow sorgte mit allen Mitteln dafür, daß keines der Muster, die Preston in der inzwischen zu einem Meer angewachsenen Papierflut suchte, zum Vorschein kam.
    Sir Nigel Irvine versuchte, wie so viele Menschen, die in London arbeiten müssen, an den Wochenenden zum Luftschnappen aufs Land zu fahren. Die Woche über blieben er und Lady Irvine in London, aber sie besaßen ein kleines rustikales Cottage in Südwest-Dorset, auf der Insel Purbeck, in einem Dorf namens Langton Matravers.
    An diesem Sonntag hatte »C« sich mit Tweedjacke und Hut ausgerüstet, einen kräftigen Eschenstock mitgenommen und war die Straßen und Wege entlangmarschiert, bis zu den Klippen über Chapman's Pool am St. Alban's Head. Die Sonne schien, aber der Wind war kühl. Die silbernen Haarbüschel, die über Sir Nigels Ohren unter dem Hut hervorlugten, flatterten wie kleine Flügel. Er schlug den Klippenpfad ein und wanderte in tiefen Gedanken dahin. Dann und wann blieb er stehen und blickte hinaus auf die schäumenden Wellenkämme des Ärmelkanals.
    Er dachte über die Schlüsse nach, die sich aus Prestons erstem Bericht ziehen ließen, und darüber, wie auffallend sie mit dem übereinstimmten, was Sweeting in seiner Klause in Oxford ausgeknobelt hatte. Zufall? Leeres Stroh? Solide Anhaltspunkte? Oder nur ein Haufen Unsinn, den ein allzu phantasievoller Beamter und ein erfinderischer Gelehrter zusammengetragen hatten? Und wenn es kein Unsinn wäre, wo könnte die Verbindung zu einer kleinen Poloniumscheibe zu suchen sein, die sich aus Leningrad in ein Glasgower Polizeirevier verirrt hatte?
    Wenn die Metallscheibe das war, wofür Wynne-Evans sie hielt, was bedeutete dies dann? Konnte es bedeuten, daß irgend jemand, weit jenseits dieser anbrandenden Wogen, wirklich versuchte, das vierte Protokoll zu brechen?
    Und wenn ja, wer könnte dieser Jemand sein? Schebrikow und Kryutschow, im Auftrag des KGB? Nein, sie würden nie wagen, etwas Derartiges zu tun, es sei denn auf Befehl des Generalsekretärs. Und wenn es der Generalsekretär war, warum?
    Und warum benutzte man nicht die Diplomatenpost? So viel einfacher, leichter, sicherer. Hier glaubte er, einen Grund erblicken zu können. Alles, was über die Botschaft ging, ging auch über die KGB-Rezidentura. Sir Nigel wußte besser als Schebrikow, Kryutschow oder der Generalsekretär, daß die Rezidentura infiltriert war. Er selber hatte seine Quelle Andrejew dort sitzen.
    Das ergab einen Sinn. Der Generalsekretär hatte seit einiger Zeit allen Grund, wegen der Flut von Überläufern aus dem KGB bestürzt zu sein. Nach allem, was man erfuhr, hatte die Enttäuschung in Rußland auf allen Ebenen so weit um sich gegriffen, daß sogar die Elite der Elite davon erfaßt worden war. Zu den Desertionen, die Ende der siebziger Jahre eingesetzt hatten und während der achtziger Legion geworden waren, kamen noch die Massenausweisungen sowjetischer Diplomaten rund um die Welt, die mit den verzweifeltsten Mitteln versucht hatten, Agenten anzuwerben und nur erreichten, daß die Lage noch verzweifelter wurde, nachdem die als Diplomaten getarnten Agentenführer ausgewiesen wurden, und die Netze in größter Verwirrung zurückblieben. Sogar die Länder der dritten Welt, die noch vor einem Jahrzehnt nach der sowjetischen Pfeife tanzten, fanden zur Eigenständigkeit und wiesen Sowjetagenten wegen groben Verstoßes gegen die diplomatischen Spielregeln aus.
    Ja, eine größere Operation unter Umgehung des KGB würde ins Bild passen. Sir Nigel hatte aus sicherer Quelle gehört, daß der Generalsekretär eine Art Verfolgungswahn entwickle, was eine westliche Infiltration des KGB anging. Wetten, so hieß es in Geheimdienstkreisen, daß auf jeden Verräter, der überläuft, einer kommt, der noch immer vor Ort arbeitet.
    Dort drüben also gab es einen Mann, der Kuriere und ihre Lieferungen nach

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