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Das vierte Protokoll

Das vierte Protokoll

Titel: Das vierte Protokoll Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
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daß die Tagschicht am Empfang ihn nicht ohne den Gips zu sehen bekam, und verließ das Hotel erst spätabends, nach dem Personalwechsel.
    Der Zeitungskiosk an der New Street Station war ihm als Treffpunkt genannt worden, und zur angegebenen Zeit näherte sich ihm eine Gestalt im schwarzledernen Motorraddreß. Der geflüsterte Austausch der Parole dauerte nur Sekunden, die Tüte wechselte den Träger, und die Gestalt im Lederanzug war verschwunden. Keiner der beiden Männer hatte die Blicke eines Passanten auf sich gezogen.
    Bei Tagesanbruch, als die Nachtschicht noch im Dienst war, meldete der Däne sich im Hotel ab, nahm den Frühzug nach Manchester und flog vom dortigen Flughafen ab, wo niemand ihn bisher gesehen hatte, mit oder ohne Gipsverband. Er flog via Hamburg, war bei Sonnenuntergang wieder in Berlin und wechselte am Checkpoint Charlie als dänischer Staatsbürger auf die andere Seite der Mauer über. Drüben erwarteten ihn seine Leute, hörten sich seinen Bericht an und brachten ihn weg. Kurier Nummer drei hatte geliefert.
    John Preston war ärgerlich. Die Urlaubswoche, die er mit Tommy hatte verbringen wollen, fiel ins Wasser. Der Dienstag war großenteils mit der Berichterstattung bei Harcourt-Smith vergangen, und Tommy hatte sich die Zeit mit Lesen und Fernsehen vertreiben müssen.
    Am heutigen Mittwochvormittag hatte Preston sich nicht von dem geplanten gemeinsamen Besuch von Madame Tussauds Wachsfigurenkabinett abbringen lassen, aber am Nachmittag ging er ins Büro, um seinen schriftlichen Bericht zu beenden. Auf seinem Schreibtisch fand er einen Brief von Crichton, dem Personalchef, vor. Er las ihn und wollte seinen Augen nicht trauen.
    Das Schreiben war, wie üblich, im liebenswürdigsten Ton gehalten. Ein Blick in die Akten habe gezeigt, daß Preston noch vier Wochen Urlaub zustünden; er kenne natürlich die Dienstvorschrift; das Fortschreiben von Urlaubsansprüchen werde aus naheliegenden Gründen nicht gern gesehen; unbedingt nötig, mit dem Urlaub auf dem laufenden zu sein; bla, bla, bla. Kurz, er habe seinen Resturlaub unverzüglich anzutreten, das heißt am nächsten Morgen.
    »Verdammte Idioten!« beschimpfte er die Bürokraten im allgemeinen. »Brauchen einen Blindenhund, damit sie aufs Klo finden.«
    Er rief die Personalabteilung an und verlangte energisch, Crichton persönlich zu sprechen.
    »Tim, ich bin's, John Preston. Sagen Sie, was soll der Brief auf meinem Schreibtisch? Ich kann jetzt nicht Urlaub nehmen; ich arbeite an einem Fall, bin mittendrin... ja, ich weiß, es ist wichtig, daß man den Urlaub nicht übers Jahr hinaus verschiebt, aber dieser Fall ist auch wichtig, sogar noch verdammt viel wichtiger, also -«
    Er hörte sich die Erklärung des Personalchefs an, wonach das ganze System zusammenbrechen müsse, wenn die Leute zuviel Urlaub zusammenkommen ließen, dann unterbrach er ihn.
    »Tim, machen wir's kurz. Rufen Sie doch einfach Brian Harcourt-Smith an. Er wird bestätigen, daß ich an einem wichtigen Fall arbeite. Ich kann den Urlaub im Sommer nehmen.«
    »John«, sagte Tim Crichton sanft, »dieser Brief wurde auf ausdrücklichen Befehl Brians geschrieben.«
    Preston starrte eine ganze Weile das Telefon an.
    »Ach so«, sagte er schließlich und legte auf.
    »Wo gehen Sie hin?« fragte Bright, als Preston zur Tür stürzte.
    »Ich brauche einen ordentlichen Drink«, sagte Preston.
    Es war schon weit über die Lunchzeit, und die Bar war fast leer. Die letzten Hungrigen waren noch nicht von den ersten Durstigen abgelöst worden. In einer Ecke saß ein Paar aus der Charles Street beim Tête-à-tête, also schwang Preston sich auf einen Hocker an der Theke. Er wollte allein sein.
    »Whisky«, sagte er, »einen doppelten.«
    »Für mich das gleiche«, sagte eine Stimme neben ihm. »Und diese Runde geht an mich.«
    Preston wandte sich um und sah Barry Banks von K.7.
    »Hallo, John«, sagte Banks. »Kam gerade durch die Halle und sah Sie hier runterflitzen. Möchte Ihnen nur sagen, daß ich etwas für Sie habe. Der Meister läßt schön danken.«
    »Ach ja, das. Keine Ursache.«
    »Ich bring' es Ihnen morgen ins Büro«, sagte Banks.
    »Nicht die Mühe wert«, sagte Preston bitter. »Wir feiern hier nämlich meine vier Wochen Urlaub. Ab morgen. Obligatorisch. Cheers.«
    »Kein Grund zum Jammern«, sagte Banks beschwichtigend. »Die meisten Leute können's gar nicht erwarten, von hier rauszukommen.«
    Er hatte schon bemerkt, daß Preston eine Laus über die Leber gelaufen sein

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